Barrierefreiheitsstärkungsgesetz und der „elektronische Geschäftsverkehr“ technische Voraussetzungen - Teil 2

BarrierefreiheitIn unserem letzten Blogbeitrag haben wir allgemein über die Frage gesprochen, ob das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) für ein Unternehmen konkret anwendbar ist.
Um Ihnen das ganze noch einmal zu visualisieren können Sie hier einen kurzen Entscheidungsbaum herunterladen. Sollten Sie nach Prüfung dazu gekommen sein, dass Sie die Vorgaben einhalten müssen, finden Sie hier die wesentlichen Informationen dazu, was technisch umgesetzt werden muss.

Rechtliche Grundlagen

Wie bereits im letzten Blogbeitrag beschrieben setzt das BFSG die Richtlinie (EU) 2019/882 vom 17.4.2019 in deutsches Recht um. Im Hinblick auf konkrete Vorgaben wird das BFSG von der Barrierefreiheitsstärkungsverordnung (BFSGV) flankiert.

Um die Angelegenheit noch komplexer auszugestalten, findet sich in § 4 BFSG eine Regelung zur „Konformitätsvermutung auf der Grundlage harmonisierter Normen“. Diese besagt, dass bei Dienstleistungen (und somit auch denen im elektronischen Geschäftsverkehr) eine Vermutung besteht, dass diese rechtskonform ausgestaltet sind, wenn Sie „harmonisierten Normen oder Teilen davon entsprechen, deren Fundstellen im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sind“. Gleiches gilt für Harmonisierte technische Normen (§ 5 BFSG).

Was eine harmonisierte Norm ist, ergibt sich leider nicht aus dem BFSG selbst, sondern muss über die EU-Regelung entsprechend nachgeprüft werden. Im Bereich der Barrierefreiheit ist eine solche „harmonisierte Norm“ die EN 301 549, da diese von 3 europäischen Normungsorganisationen im Auftrag der EU-Kommission entwickelt worden ist.

Diese selbst verweist in Ziffer 9 (Web) dann auf die WCAG 2.0 und WCAG 2.1 Kriterien.

Was sind eigentlich diese WCAG Kriterien?

Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) sind eine Reihe von Richtlinien, die entwickelt wurden, um sicherzustellen, dass Webinhalte für alle Menschen zugänglich sind, einschließlich Menschen mit Behinderungen. Die WCAG wurden vom World Wide Web Consortium (W3C) entwickelt und sind in verschiedene Versionen unterteilt, wobei die aktuellste Version WCAG 2.2 ist. Zwar spricht die EN 301 549 „nur“ von WCAG 2.1, allerdings muss man die aktuellen Normen auch immer „nach dem Stand der Technik“ umsetzen, weshalb wir derzeit zur Umsetzung der WCAG 2.2 Kriterien raten.

Die WCAG-Kriterien sind in drei Konformitätsstufen unterteilt:

  • Stufe A: Diese Stufe umfasst die grundlegendsten Anforderungen, die erfüllt werden müssen, um sicherzustellen, dass Webinhalte für Menschen mit Behinderungen zugänglich sind. Beispiele hierfür sind die Bereitstellung von Textalternativen für Nicht-Text-Inhalte und die Sicherstellung, dass alle Funktionalitäten über eine Tastatur zugänglich sind.
  • Stufe AA: Diese Stufe baut auf den Anforderungen der Stufe A auf und umfasst zusätzliche Kriterien, die die Zugänglichkeit weiter verbessern. Dazu gehören Anforderungen wie ausreichende Farbkontraste und die Bereitstellung von Untertiteln für alle aufgezeichneten Audioinhalte.
  • Stufe AAA: Diese Stufe enthält die strengsten und umfassendsten Anforderungen. Sie sind oft schwerer umzusetzen und werden daher nicht immer von allen Websites erfüllt. Beispiele sind die Bereitstellung von Gebärdensprachdolmetschern für alle aufgezeichneten Inhalte und die Sicherstellung, dass keine Zeitbegrenzungen für Inhalte bestehen.

Wichtig ist: Einhalten müssen Sie nur die Kriterien der Stufe A und der Stufe AA. Die Stufe AAA ist nicht zwingend einzuhalten.

Die „Überschriften“ der WCAG spiegeln die 4 Grundbegriffe der Barrierefreiheit wieder:

  • Wahrnehmbarkeit
  • Bedienbarkeit
  • Verständlichkeit
  • Robustheit

Hinter jedem dieser Begriffe stecken andere Vorschriften und technische Voraussetzungen. Während es bei der Wahrnehmbarkeit z.B. um Text-Alternativen wie „alt-tags“ (Also vereinfacht: bei Bildern hinterlegte Textbeschreibungen) geht, geht es bei der Verständlichkeit z.B. um die Vorhersehbarkeit der Seitennavigation.

Wie setzt man das alles um?

Im Endeffekt muss man alle Punkte der WCAG 2.2 durchgehen und für seine Seite bzw. die auf der Seite konkret betroffenen Dienstleistungen anpassen und adaptieren.

Es gibt jedoch einige „grundlegende“ Punkte, die man auch aus anderen Gesichtspunkten wie z.B. SEO vorab bereits glattziehen kann.

Hierunter fällt z.B. die ordentliche Strukturierung der Website durch klar definierte und angeordnete Überschriften und die Verwendung eines aktuellen Quellcodes bzw. CMS Systems, dass aus semantischem HTML besteht.

Folgende „Code“ Zeile ist ein Beispiel für „semantisches HTML“
<button>Fehlerbericht senden</button>

Soweit ein screen Reader über die Seite läuft, erkennt er anhand des <button> tags, dass der Inhalt dieses Punktes ein interaktives Feld beinhaltet, dass angeklickt werden kann. Verwendet man hier z.B. ein <div> kann der Button nicht erkannt werden.

Auch wenn die Vielzahl an Punkten zunächst überwältigend wirkt, kann man mit Geduld viele Punkte bereits schnell und effizient umsetzen.

Eventuell kann es sich anbieten eine gleichwertige barrierefreie Website aufzuziehen, auf die man barrierefrei von der Hauptseite hin navigieren kann. Soweit dort alle Dienstleistungen und für die Dienstleistung relevanten Inhalte barrierefrei abgebildet werden, hat man einen gleichwertigen Weg geschaffen.

Viele Punkte können bereits jetzt mit kostenfreien Online-Checker (z.B. https://wave.webaim.org oder https://validator.w3.org) überprüft werden. Auch Plugins für Browser existieren.

Das wichtigste ist hierbei: Nutzen Sie die Zeit.

Welche rechtlichen bzw. formellen Anforderungen laut BFSG bestehen, erfahren Sie in unserem nächsten Blogbeitrag oder melden Sie sich zu einem unserer nächsten Webinare an.

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Autor
Benjamin Schmidt
Benjamin Schmidt
Counsel - Dipl. Jur. - Externer Datenschutzbeauftragter (TÜV)
Herr Schmidt gehört der DURY GRUPPE bereits seit Juni 2015 an und ist seit Januar 2016 Mitarbeiter bei DURY LEGAL. Neben seiner juristischen Ausbildung ist Herr Schmidt auch zertifizierter externer Datenschutzbeauftragter (TÜV). In dieser Funktion betreut er unsere Mandanten im Bereich E-Commerce, Datenschutz und IT-Recht.