Telefonwerbung - Die rechtliche Zulässigkeit von unverlangten Werbeanrufen - Outbound Telefonmarketing

TelefonwerbungKaum ein Unternehmen verzichtet darauf, das Telefon bei der Akquise neuer Aufträge einzusetzen. Der Vorteil eines Telefonnrufes gegenüber einem reinen Werbeanschreiben per Brief liegt auf der Hand; der Werbetreibende hat die Möglichkeit, den Angerufenen direkt und gezielt über die Eigenschaften seiner Waren oder Dienstleistungen zu informieren und auf Nachfragen und Einwände zu reagieren. Die Verkaufs-Argumente können auf den potentiellen Kunden abgestimmt werden. Auf die individuellen Bedürfnisse des Angerufenen kann eingegangen werden.

Unverlange Werbeanrufe (sog. direktes Outbound-Telefonmarketing) ist aber angesichts der wettbewerbsrechtlichen Regelungen in § 7 UWG rechtlich problematisch und kann zu wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen durch Konkurrenten und Abmahnvereine oder zuBußgeldern der datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörden führen. Dies gilt jedenfalls, wenn der Werbende Verbaucher unverlangt anruft (sog. Cold Calls). Wenn Unternehmen angerufen werden, kann ein unverlangter Werbeanruf unter Umständen zwar rechtlich zulässig sein. Die Rechtsprechung fasst diese Ausnahmen im Bereich der B2B-Werbung aber sehr eng.

Darüberhinaus interessieren sich auch immer wieder die Datenschutzaufsichtsbehörden für unverlangte Werbeanrufe, da von Call-Centern und den werbenden Unternehmen auch immer wieder personenbezogene Daten über die angerufenen Ansprechpartner und Firmen gespeichert und verarbeitet werden.

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1) Grundsatz der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung: Telefonische Kaltakquise grundsätzlich verboten – ohne Ausnahmen?

Ein Werbeanruf gegenüber Verbrauchern (B2C) ist ohne eine vorherige Einwilligung durch den Anzurufenden rechtlich immer verboten (§ 7 Abs. 2 Alt. 1 UWG). Ausnahmen bestehen nicht. Der Grund hierfür liegt im Schutz des Verbrauchers vor unerwarteten und vor allem unaufgeforderten Anrufen, durch die sich der Verbraucher überrumpelt fühlt und in seinem Individualbereich gestört wird. Mit dem Anruf selbst ist nämlich eine Störung bereits eingetreten, sodass eine zu Beginn des Telefonats erteilte Einwilligung des Angerufenen den Anruf gerade nicht nachträglich rechtmäßig werden lässt.

Anders könnte dies aber im unternehmerischen Geschäftsverkehr (B2B) sein. Im Bereich der B2B-Werbung ist der Angerufene nicht so schutzwürdig, wie ein Verbraucher. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Unternehmen unter bestimmten Umständen einen unverlangten Werbeanruf positiv sehen könnten, z.B. wenn sich hierdurch neue Geschäftschancen ergeben oder ein Bedarf eines Unternehmens ggf. befriedigt werden kann. Doch wo sind die Grenzen solcher Anrufe zu ziehen? Hierbei hilft § 7 UWG zunächst weiter: Die Schranke der Anrufe liegt im Erreichen einer unzumutbaren unlauteren Belästigung. Anrufe sind also im B2B-Verkehr dann erlaubt, wenn der Anrufende von einer mutmaßlichen Einwilligung ausgehen durfte.

2) Kriterien für das Vorliegen einer sog. mutmaßlichen Einwilligung i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 UWG

Nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 UWG ist eine unzumutbare Belästigung bei einer Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem sonstigen Marktteilnehmer ohne dessen zumindest mutmaßliche Einwilligung anzunehmen. In welchen Fällen eine mutmaßliche Einwilligung vorliegt, hat der BGH in einer Reihe von Urteilen ausgeführt:

Trotz der mit dem Anruf verbundenen Belästigung kann der Angerufene verpflichtet sein, den Werbeanruf dennoch hinzunehmen. Nach der Rechtsprechung des BGH hängt dies von dem Grad des Interesses ab, das der Anzurufende der jeweiligen Werbung entgegenbringt.

„Es müsse ein konkreter, aus dem Interessenbereich des Anzurufenden herzuleitender Grund vorliegen, der diese Art der Werbung rechtfertige.“ (BGH, Urteil vom 05.02.2004 – I ZR 87/02 – Telefonwerbung für Zusatzeintrag)

Dabei genügt ein bloß allgemeiner Sachbezug gerade nicht, denn dies würde der Telefonwerbung im B2B Bereich Tor und Tür schrankenlos öffnen. Weiter hat der BGH ausgeführt:

„Dabei genügt das bloße Bestehen einer schon vorhandenen Geschäftsverbindung für sich alleine in der Regel nicht aus. Vielmehr ist allein entscheidend, ob nach den Umständen des Einzelfalls die Annahme gerechtfertigt sei, dass der Anzurufenden den Anruf erwarte oder ihm jedenfalls positiv gegenüber stehe (BGH, Urteil vom 05.02.2004 – I ZR 87/02 – Telefonwerbung für Zusatzeintrag sowie: OLG Frankfurt, Urteil vom 29.11.2001 – 12 U 38/01 – Hochgeschwindigkeitszugänge).

Anders als im B2C Bereich (d.h. ggü. Verbrauchern) hat der BGH angenommen, dass Unternehmen womöglich mit Anrufen potentieller Geschäftspartner rechnen:

„Maßgebend insoweit darf keine generalisierende Betrachtungsweise sein, die nicht hinreichend auf das Interesse des Anzurufenden an der jeweiligen Werbung abstellt. Entscheidend ist allein, ob nach den Umständen des Einzelfalls die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Anzurufende den Anruf erwartet oder ihm jedenfalls positive gegenübersteht.“ (BGH, Urteil vom 24.01.1991 – I ZR 133/89 – Telefonwerbung IV)

So stellt der BGH weiterhin auf die Umstände vor dem Anruf sowie auf die Art und den Inhalt der Werbung ab (BGH, Urteil vom 16.11.2006 – I ZR 191/03 – Telefonwerbung für Individualverträge).

Trotz der recht einheitlichen Rechtsprechung des BGH hat er in seinem Urteil vom 24.01.2001 – I ZR 53/99 – Telefonwerbung für Blindenwaren signalisiert, dass es stets auf den Einzelfall zur Beantwortung der Frage, ob eine mutmaßlichen Einwilligung vorliegt, ankommt, denn anders als im privaten Bereich, für den § 7 I Nr. 1 und 2 Alt. 1 UWG regelt, dass eine ausdrückliche oder konkludente Einwilligung vorliegen muss, liefe der Anwendungsbereich des § 7 Abs.2 UWG bei einer generellen Ablehnung von Werbeanrufen im geschäftlichen Bereich faktisch leer.

Die auf Verbraucher ausgerichtete restriktive Rechtsprechung kann daher nicht auf Telefonwerbung im B2B Bereich analog angewendet werden. Das Argument des Schutzes der Privatsphäre ist im Unternehmenskontext nicht einschlägig. Die Interessen des angerufenen Unternehmers liegen vornehmlich in Artikel 12 und 5 GG sowie im Recht am ausgeübten und ausgerichteten Gewerbebetrieb. Insofern ist schon fraglich, ob künftig noch an den o.g Kriterien des BGH festzuhalten ist. Aus europarechtlichen Gründen könnte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die restriktive Handhabung des § 7 Abs.2 UWG im geschäftlichen Bereich ein Ende findet. Bei der Auslegung und Anwendung der Norm darf nämlich die Rechtsentwicklung in der gesamten EU nicht missachtet werden: So unterliegen derzeit nur Deutschland und Österreich den gegebenen Restriktionen bei der Anwendung des § 7 II Nr. 2 UWG (vgl.: Engels/Stulz-Herrnstadt, WRP 2005, 1218, 1227).

„Auf die Telefonwerbung im geschäftlichen Bereich lassen sich die Rechtsprechungsgrundsätze für Verbraucher nicht uneingeschränkt übertragen. Denn die bei der Telefonwerbung gegenüber privaten Anschlussinhabern im Vordergrund stehende nicht hinnehmbare Belästigung im Individualbereich scheidet im Bereich des B2B Verkehrs aus.“ (BGH, Urteil vom 24.01.1991 – I ZR 133/89 – Telefonwerbung IV)

Auch in Hinblick auf die Eintragungsmöglichkeit von Unternehmen in die sog. Robinson Liste, mit der die Ablehnung von Werbeanrufen signalisiert wird, ist ein Unternehmen hinreichend geschützt.

3) Der Blick in die Praxis des Cold-Calls im B2B-Bereich

Es ist sicherlich rechtssicher, Angebote zunächst schriftlich zu bewerben und eine Einwilligung des Unternehmens einzuholen, bevor man es anruft. Ohne explizite Einwilligung befindet sich die Grenze zur unlauteren, wettbewerbswidrigen Handlung und damit verbundenen Datenschutzverstößen in einer Grauzone zwischen erlaubter und unerlaubter Telefonwerbung.

Klar ist aber auch, dass es betriebswirtschaftlich in den meisten Fällen sinnvoller ist, sich nicht nur auf diejenigen Unternehmen zu beschränken, die nach einem vorherigen Anschreiben, ihre explizite Eiwilligung in einen Werbeanruf erklärt haben.

Wer also als Unternehmer unverlangtes Outbound-Telefonmarketing betreibt, trägt immer auch das Risiko einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung oder eines Verfahrens der zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörde. Gem. § 20 Abs. 1, 2 UWG muss mit einer Geldbuße bis zu 300.000 € bei Werbeanrufen gegenüber Verbrauchern gerechnet werden. Die datenschutzrechtlichen Geldbußen werden mit Inkrafttreten der europäischen Datenschutzgrundverordnung ab Mai 2018 erheblich steigen.

Das Kostenrisiko einer ersten wettbewerbsrechtlichen Abmahnung liegt im Bereich zwischen 2.000,- € und 5.000,- €, je nach Streitwert und Verteidigungsstrategie. Wie hoch die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Abmahnung oder eines Einschreitens der Datenschutzaufsicht ist, kann man schwer prognostizieren. Uns liegen aber Behauptungen von E-Mail-Marketing-Firmen vor, die im Bereich des E-Mail-Marketings von einem Risiko von 1:10.000 ausgehen. Im Bereich des unverlangten B2B-Telefonmarketings dürfte die Eintrittswahrscheinlichkeit noch geringer sein, da die Beweise schwerer zu führen sind. Es ist aber nicht so, dass es niemals zu Abmahnungen oder Ermittlungsverfahren der Landesdatenschutzbeauftragten wegen unverlangtem B2B Telefonmarketing in Form von Cold-Calls kommt.

Wir bearbeiten momentan einige Fälle aus diesem Segment des Wettbewerbsrechts und Datenschutzrechts.

Als Unternehmern sollten Sie daher immer auch eine Abwägung zwischen dem betriebswirtschaftlichen Nutzen von Cold-Calls und den damit verbundenen Risiken durchführen.

Auch ist darauf zu achten, dass bei Werbeanrufen die Rufnummer nicht unterdrückt werden darf. Ein Verstoß dagegen kann mit einem Bußgeld bis zu 10.000 € geahndet werden (§ 102 Abs. 2 TKG i.V.m. § 149 TKG).

4) Datenschutzrechtliche Beurteilung auf Basis des BDSG

Sobald sich ein werbendes Unternehmen Telefonnummern von potentiellen Kunden besorgt, liegt hierin regelmäßig auch eine Erhebung personenbezogener Daten im Sinne des §28 BDSG.

Diese ist jedoch nur in den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig. Nach §28 III BDSG ist dies insbesondere dann - auch ohne vorherige Einwilligung des Angerufenen – erlaubt, wenn die Telefonnummern aus allgemein zugänglichen Verzeichnissen, wie beispielsweise den „Gelben Seiten“ stammen. Ob die Datenerhebung tatsächlich zulässig ist hängt darüber hinaus jedoch auch von weiteren gesetzlich normierten Kriterien ab, die immer im Einzelfall zu prüfen sind. Eine dieser Voraussetzungen ist nach §28 III S.6 BDSG auch, dass „schutzwürdige Interessen des Betroffenen (Anmerkung: also des Angerufenen) nicht entgegenstehen“. Genau hier setzen aber die oben dargelegten Grundsätze des UWG an. Eine Datenerhebung ist demnach im B2B-Bereich nur dann zulässig, wenn von einer mutmaßlichen Einwilligung des Angerufenen i.S.d. § 7 Abs.2 UWG ausgegangen werden kann.

Damit besteht für denjenigen, der über das Telefon wirbt, neben etwaigen Abmahnungen, das Risiko, dass der zuständige Datenschutzbeauftragte des Landes die Erhebung der Daten untersagt.

5) Zukünftige Entwicklungen durch die ab 2018 geltende Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)

Ab Mai 2018 wird die neue DSGVO, die das bisherige Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) ablösen. Hieraus könnten sich für die zukünftige Beurteilung von Telefonmarketing neue Maßstäbe ergeben.

Eine dem §28 BDSG entsprechende Norm wird in der DSGVO nicht mehr vorhanden sein. Die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten hängt zukünftig insbesondere von Art.6 I lit. f) DSGVO ab. Danach ist die Verarbeitung unter Anderem rechtmäßig, wenn folgende Voraussetzung erfüllt ist:

„(…) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.“

Ergänzend hierzu merken die Erwägungsgründe zur DSGVO unter Punkt 47 an:

„Die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung kann (…) begründet sein, sofern die Interessen oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person nicht überwiegen; dabei sind die vernünftigen Erwartungen der betroffenen Person, die auf ihrer Beziehung zu dem Verantwortlichen beruhen, zu berücksichtigen. (…) Die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung kann als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden.“ (Kürzungen durch Verfasser)

Wie im Rahmen des bisherigen §28 III S.6 BDSG muss also in jedem Fall eine Einzelfallabwägung stattfinden, die auf die Interessen des Angerufenen Rücksicht nimmt. Hierbei wären wiederum die obigen Wertungen des UWG heranzuziehen. Die Beschränkungen des §7 II UWG sind weiterhin zu berücksichtigen, da diesem die E-Privacy-Richtlinie zugrunde liegt (Richtlinie 2002/58/EG vom 12.7.2002), die auch nach Einführung der DSGVO bestehen bleibt.

Hervorzuheben ist jedoch die Anmerkung in den Erwägungsgründen zur DSGVO, Punkt 47, nach der die Verarbeitung zum Zwecke der Direktwerbung

„als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden kann“.

Gerichte könnten diesen Passus zukünftig als Argument dafür betrachten, dass Direktwerbung in Form von Cold-Calls im B2B-Bereich, d.h. gegenüber Unternehmen, ab Mai 2018 in weiterem Umfang zulässig sein wird als es bisher der Fall ist.

Rechtsklarheit wird hier jedoch nur die zukünftige Rechtsprechung zu bringen.


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