BGH: Kein Wettbewerbsverhältnis bei Bewerbung fremder Produkte auf Internetseite - Urteil vom 17.10.2013 - I ZR 173-12 (OLG Stuttgart, LG Stuttgart)

bgh logoDer Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 17.10.2013 - I ZR 173/12 (OLG Stuttgart, LG Stuttgart) entschieden, dass kein Wettbewerbsverhältnis besteht, wenn ein Internetseitenbetreiber für ein fremdes Produkt auf seiner Internetseite passive Werbung betreibt.

Die Klägerin bot im Internet Reisedienstleistungen an.

Die Bücher waren durch Affiliate-Links mit Amazon.de verlinkt, so dass die Klägerin beim Kauf eines Reiseführers eine Provision von Amazon.de erhielt.

Beklagte war die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Sie bot auf ihrer Internetseite u.a. auch Reiseliteratur zum Kauf an.

Dabei machte sie - unstreitig - nicht an alle rechtlich erforderlichen Angaben.

Entscheidend bei dem Fall war, ob die beiden Parteien in einem Wettbewerbsverhältnis standen, auch wenn der Kläger nur über Affiliate-Links an dem Verkauf der Reiseliteratur durch Dritte profitierte während die Verbraucherzentrale selbst als Verkäuferin von Reisebüchern handelte.

BGH, Urteil vom 17.10.2013 - I ZR 173/12 (OLG Stuttgart, LG Stuttgart)

Er formuliert den Leitsatz wie folgt:

Fördert die Klägerin auf der eigenen Internetseite durch Werbung für ein anderes Unternehmen dessen Wettbewerb, begründet dies für sich allein kein konkretes Wettbewerbsverhältnis zu einem Mitbewerber des anderen unterstützten Unternehmens. Das gilt auch dann, wenn die Klägerin von dem unterstützten Unternehmen für Verträge, die auf Grund der Werbung geschlossen werden, eine Werbekostenerstattung erhält.

BGH, Urteil vom 17.10.2013 - I ZR 173/12 (OLG Stuttgart, LG Stuttgart)


Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Klägerin bot im Internet Reisedienstleistungen an.

Unter der Überschrift „Reiseliteratur und Verbraucherschutz” bot sie auf Ihrer Internetseite Reiseführer und verbraucherrechtliche Informationen zu Reisen an.

Die Bücher waren durch Affiliate-Links mit Amazon.de verlinkt, so dass die Klägerin beim Kauf eines Reiseführers eine Provision von Amazon.de erhielt, wenn der Klick durch die Internetseite der Klägerin vermittelt wurde.

Beklagte war die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Sie bot auf ihrer Internetseite u.a. auch Reiseliteratur zum Kauf an.

Die Klägerin verklagte die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg auf Unterlassung, da diese angeblich nicht alle fernabsatzrechtlichen Informationspflichten einhielt. Insgesamt wurden zehn Gesetzesverstöße mit der Berufung auf wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche eingeklagt.

Die Beklagte war der Ansicht, es fehle an dem erforderlichen Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien.

Diese Ansicht wurde nun vom BGH aufgegriffen.

Der BGH argumentierte:

15 a) Zwischen den Parteien besteht kein unmittelbares Wettbewerbsverhältnis. Mitbewerber i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG ist jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Nach der Rspr. des Senats ist ein konkretes Wettbewerbsverhältnis immer dann gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen beeinträchtigen, d.h. im Absatz behindern oder stören kann (vgl. BGHZ 168, 314 Rdnr. 14 – Kontaktanzeigen; BGH GRUR 2012, 193 [= MMR 2012, 191 m. Anm. Liesching] Rdnr. 17 – Sportwetten im Internet II).

Dies setzt voraus, dass sich die beteiligten Unternehmen auf demselben sachlich, räumlich und zeitlich relevanten Markt betätigen, ohne dass sich der Kundenkreis und das Angebot der Waren oder Dienstleistungen vollständig decken müssen (vgl. BGHGRUR 1990, 375, 377 – Steuersparmodell; BGHGRUR 2001, 78 – Falsche Herstellerpreisempfehlung; BGHGRUR 2007, 1079 Rdnr. 18, 22 – Bundesdruckerei; Sosnitza, a.a.O., § 2 Rdnr. 55).

16 An einem solchen unmittelbaren Wettbewerbsverhältnis auf Grund der eigentlichen geschäftlichen Tätigkeiten der Parteien fehlt es hier. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sind die Parteien in unterschiedlichen Branchen tätig. Während die Kl. in erster Linie Reisedienstleistungen anbietet, bezieht sich das geschäftliche Handeln der Bekl. entsprechend ihrem satzungsmäßigen Zweck auf die Aufklärung und Beratung von Verbrauchern. Ihre Kundenkreise überschneiden sich bei der Nachfrage der jeweils angebotenen Waren und Dienstleistungen nicht. Dementsprechend handelt es sich bei dem Vertrieb von Reisen einerseits und der Verbraucherberatung sowie dem Vertrieb verbraucherrechtlicher Lit. andererseits nicht um gleichartige Angebote von Waren oder Dienstleistungen auf demselben sachlichen Markt.

17 b) Nach den getroffenen Feststellungen kann auch nicht angenommen werden, dass zwischen den Parteien ein mittelbares Wettbewerbsverhältnis besteht.

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass an das Vorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes grds. keine hohen Anforderungen zu stellen sind; es wird daher insb. keine Branchengleichheit vorausgesetzt (vgl. BGHZ 93, 96, 97 – DIMPLE; BGH, a.a.O., Rdnr. 16 – Kontaktanzeigen; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 2 Rdnr. 95; Sosnitza, a.a.O., § 2 Rdnr. 55). Da es für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung einer Tätigkeit regelmäßig nur um die konkret beanstandete Wettbewerbshandlung geht, genügt es, dass die Parteien durch eine Handlung miteinander in Wettbewerb getreten sind, auch wenn ihre Unternehmen unterschiedlichen Branchen oder Wirtschaftsstufen angehören (vgl. BGHGRUR 2004, 877, 878 f. [= MMR 2004, 662 m. Anm. Funk/Zeifang] – Werbeblocker; BGHGRUR 2009, 845 [= MMR 2009, 620 m. Anm. Brisch/Laue] Rdnr. 40 – Internet-Videorecorder I; Fezer/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 8 Rdnr. 239 m.w.Nw.).

18 aa) Die Bekl. wird nicht auf einer anderen Wirtschaftsstufe als die Kl. tätig. Umgekehrt versucht die Kl. nicht, Bücher auf einer anderen Stufe des Vertriebsablaufs an denselben Abnehmerkreis abzusetzen. Die Kl. wird auch nicht dadurch selbst zum Anbieter von Büchern, dass auf ihrer Internetseite eine themenspezifische Auswahl des Buchangebots von Amazon dargestellt wird und ein elektronischer Verweis (Link) zu der jeweiligen Produktseite von Amazon eingerichtet ist. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts beschränkt sich hierauf die Tätigkeit der Kl., die dafür lediglich eine als Werbekostenerstattung bezeichnete Provision für jeden über den Link auf ihrer Internetseite angebahnten Buchkauf bei Amazon erhält. Das „Karussell” auf der Internetseite der Kl., in dem die von Amazon angebotenen Bücher dargestellt werden, ist danach als reiner Werbeträger von Amazon anzusehen. Die fragliche Tätigkeit der Kl. ist ausschließlich darauf gerichtet, gegen eine umsatzabhängige Vergütung eine Werbefläche zur Verfügung zu stellen. Vor diesem Hintergrund ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Kl. versuche auch nicht mittelbar, derartige Waren an denselben Abnehmerkreis abzusetzen, sondern stelle lediglich ein virtuelles Schaufenster und einen technischen Weg zum Angebot von Amazon bereit, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Ob der vorliegende Fall dabei – wie das Berufungsgericht angenommen hat – dem eines Online-Marktplatzes gleicht, und ob dessen Betreiber ebenfalls in keinem konkreten Wettbewerbsverhältnis mit den Konkurrenten derjenigen Unternehmen steht, die dort substituierbare Waren anbieten (vgl. dazu OLG KoblenzGRUR-RR 2006, 380 ff.; offengelassen BGH, B. v. 24.5.2007 – I ZR 150/06), bedarf hier keiner Entscheidung.

19 bb) Die Tätigkeit der Kl. begründet auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Förderung fremden Wettbewerbs ein – mittelbares – Wettbewerbsverhältnis zur Bekl. Mit der Buchpräsentation auf ihrer Internetseite wirbt die Kl. zwar mittelbar auch für das Buchangebot von Amazon und fördert damit zugleich deren Wettbewerb. Soweit es um die Begründung der Mitbewerbereigenschaft im Fall der Förderung fremden Wettbewerbs geht, muss aber zwischen der hier streitentscheidenden Frage, ob die Kl. Mitbewerberin der Bekl. ist, und dem – unstreitig anzunehmenden – Wettbewerbsverhältnis auf dem Absatzmarkt, nämlich zwischen der Bekl. und Amazon in ihrer Rolle als Anbieter von Büchern, unterschieden werden. Darüber hinaus ist danach zu unterscheiden, auf welcher Seite – Gläubiger- oder Schuldnerseite – der den Wettbewerb eines anderen Unternehmens Fördernde seinerseits im Wettbewerbsprozess steht. Soweit von der Rspr. bisher eine Mitbewerbereigenschaft im Zusammenhang mit der Förderung fremden Wettbewerbs angenommen worden ist, betraf dies Fälle der Inanspruchnahme des Fördernden bei eigenen Wettbewerbsverstößen, mithin seine Stellung als Schuldner eines wettbewerbsrechtlichen Anspruchs. In diesen Fällen muss das konkrete Wettbewerbsverhältnis, wenn sich die in Rede stehende Wettbewerbshandlung als Förderung fremden Wettbewerbs darstellt, zwischen dem geförderten Unternehmen und dessen Mitbewerber bestehen (vgl. dazu etwa BGHZ 110, 278, 283 – Werbung im Programm; BGHGRUR 2009, 878 Rdnr. 15 – Fräsautomat; OLG DüsseldorfGRUR 2006, 782, 783; Köhler, a.a.O., § 2 Rdnr. 96g). Dieser kann deshalb gegen den Fördernden vorgehen, sofern er durch die Förderung des dritten Unternehmens in eigenen wettbewerbsrechtlich geschützten Interessen berührt ist (vgl. BGHGRUR 2006, 875 Rdnr. 24 f. – Rechtsanwalts-Ranglisten; Keller, a.a.O., § 2 Rdnr. 137). Die Begründung der Anspruchsberechtigung findet ihren inneren Grund hier insb. darin, dass stets das zu beurteilende Wettbewerbsverhalten den Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Mitbewerbereigenschaft eines Unternehmens bildet (vgl. OLG Koblenz, a.a.O.; OLG DüsseldorfGRUR-RR 2011, 474; Köhler, a.a.O., § 2 Rdnr. 94, 96). Es geht bei der beanstandeten Wettbewerbshandlung mithin um die Förderung fremden Wettbewerbs.

20 Eine solche Fallgestaltung liegt hier nicht vor. Zwar fördert die Kl. den Wettbewerb von Amazon. Sie befindet sich indessen nicht in der Rolle des Schuldners eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs, sondern geht ihrerseits – aktiv – als (vermeintlicher) Gläubiger gegen einen Mitbewerber des von ihr geförderten Unternehmens vor. Auf diese Konstellation können die vorstehenden Grundsätze zur Förderung des Wettbewerbs eines Verletzers nicht in gleicher Weise angewendet werden. Soweit zwischen dem geförderten Unternehmen – hier Amazon – und dessen Mitbewerber – hier der Bekl. – ein konkretes Wettbewerbsverhältnis auf dem Absatzmarkt besteht, vermag dieses nach den festgestellten Umständen nicht zugleich die Mitbewerbereigenschaft 610 BGH: BGH: Passive Bewerbung auf Internetseite – Werbung für Fremdprodukte(MMR 2014, 608) der Kl. zur Bekl. zu begründen. Es wäre mit dem Sinn und Zweck von § 8 Abs. 1, 3 Nr. 1 UWG nicht zu vereinbaren, der Kl., die als bloßer Werbepartner agiert, die Möglichkeit zu eröffnen, nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG gegen Mitbewerber des durch ihre Werbetätigkeit geförderten Unternehmens vorzugehen. Die Vorschrift gibt dem Mitbewerber einen Anspruch, damit dieser sich in erster Linie selbst gegen Schädigungen und Behinderungen zur Wehr setzen kann, die er durch Wettbewerbsverzerrungen in Folge unlauteren Wettbewerbs erleidet oder befürchten muss (vgl. zu § 1 UWG a.F. BGHZ 144, 255, 264 f. – Abgasemissionen; v. Ungern-Sternberg, in: FS Erdmann, 2002, S. 741, 746). Im Blick darauf muss für Mitbewerber kennzeichnend sein, dass diese in einem irgendwie gearteten Wettbewerb stehen (vgl. Keller, a.a.O., § 2 Rdnr. 120), was bei den Parteien des Streitfalls nicht der Fall ist. Wettbewerbsrechtlich geschützte Interessen der Kl. sind im Streitfall nicht berührt.

21 Dies gilt auch insoweit, als die Kl. eine Behinderung ihres Provisionsanspruchs geltend macht. Für die Begründung eines Wettbewerbsverhältnisses genügt es nicht, dass die Kl. durch die angegriffene Wettbewerbshandlung in ihrem eigenen Marktstreben irgendwie betroffen ist (vgl. BGHGRUR 2002, 828, 829 – Lottoschein). Auch eine bloße Beeinträchtigung reicht zur Begründung eines Wettbewerbsverhältnisses nicht aus, wenn es an jeglichem Konkurrenzmoment im Angebots- oder Nachfragewettbewerb fehlt (vgl. für den Fall unverlangter Zusendung von E-Mail-Werbung BGHGRUR 2009, 980 [= MMR 2010, 33] Rdnr. 9 – E-Mail-Werbung II; Keller, a.a.O., § 2 Rdnr. 123 mit Fußn. 404). So liegt es aber hier hinsichtlich der von Amazon an die Kl. zu zahlende Werbekostenerstattung.

22 cc) Ein anerkennenswertes Interesse, das von ihr beanstandete Wettbewerbsverhalten der Bekl. einer lauterkeitsrechtlichen Kontrolle zu unterziehen, kann die Kl. auch nicht daraus herleiten, dass sie als potenzielle Schuldnerin für etwaige durch Amazon begangene Wettbewerbsverstöße dessen Mitbewerbern, mithin auch der Bekl., ggü. haften müsse. Ob zwischen zwei Unternehmen ein Wettbewerbsverhältnis im tatsächlichen Sinne besteht, bestimmt sich nicht abstrakt, sondern nach den konkreten Umständen des Einzelfalls (vgl. BGHZ 162, 246, 251 – Vitamin-Zell-Komplex, m.w.Nw.; Fezer/Büscher, a.a.O., § 8 Rdnr. 239). Ob und inwieweit die Kl. mithin ihrerseits auf Grund ihrer vertraglichen Beziehungen für etwaige Wettbewerbsverstöße von Amazon haftet, bedarf daher keiner weiteren Erörterung.

.23 dd) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht auch rechtsfehlerfrei angenommen, dass die Kl. nicht als Absatzmittler auf einer anderen Wirtschaftsstufe beim Angebot von Büchern tätig ist.