Volltext BGH-Entscheidung Tauschbörse I - I ZR 19/14

BGH-Urteil Tauschbörse I VolltextDer Bundesgerichtshof (BGH) hat nun den Volltext der Entscheidungsbegründung in dem Filesharing Urteil "Tauschbörse I" - I ZR 19/14 vom 11.06.2015 veröffentlicht.

Klägerinnen in dem Verfahren waren vier führende deutsche Tonträgerherstellerinnen. Nach den Recherchen des von ihnen beauftragten Softwareunternehmens proMedia wurden am 19. Juni 2007, am 19. August 2007 und am 17. Dezember 2007 über IP-Adressen eine Vielzahl von Musiktiteln zum Herunterladen verfügbar gemacht. Die Beklagten wurden daraufhin auf Schadensersatz in Höhe von insgesamt 3.000 € sowie auf Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch genommen.

Wir hatten bereits im Juni 2015, unmittelbar nach der Urteilsverkündung, in unserem Blog über die Entscheidung berichtet.

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In dem Volltext der Entscheidung „Tauschbörse I” (I ZR 19/14) führt der BGH aus, dass ein entsprechender Screenshot ausreichend sei, um den Beweis zu führen, dass unter einer bestimmten dynamischen IP-Adresse ein urheberrechtlich geschütztes Werk öffentlich zugänglich gemacht wurde. Dieser Aspekt hinsichtlich der Beweisführung mittels eines Screenshots ist sicherlich einer der interessantesten Aspekte der Entscheidung „Tauschbörse I” (I ZR 19/14), da der Beweiswert von Screenshots in Zivilverfahren bislang immer weitgehend unklar und vom Einzelfall abhängig war.

Nun hat sich der BGH endlich dazu geäußert, dass im Grundsatz ein Beweis mit der Vorlage eines Screenshots geführt werden kann. Dies gilt jedenfalls dann, wenn derjenige, der den Screenshot angeblich gefertigt hat, das Zustandekommen des Screenshots schlüssig erläutern kann.

Diese Feststellung ist sicherlich nicht auf Filesharing-Fälle beschränkt sondern dürfte für alle Zivilrechtsfälle gelten.

In dem konkreten Fall argumentiert der BGH, die Zuordnung der IP-Adresse zu einer Person könne durch die Log-Files des Internetproviders bewiesen werden, die im Auskunfts- und Gestattungsverfahren gem. § 101 UrhG vorgelegt wurden. Fehlte es dabei an konkreten Anhaltspunkten für eine Fehlzuordnung, sei es nicht erforderlich, dass ein Tonträgerhersteller nachweise, dass die Zuordnung absolut fehlerfrei sei.

Der Leitsatz der BGH-Entscheidung Tauschbörse I (I ZR 19/14) lautet:

a) Ist ein Tonträgerhersteller als Lieferant eines Musikalbums in der von der Ph. GmbH betriebenen Katalogdatenbank eingetragen, stellt dies ein erhebliches Indiz für die Inhaberschaft von Tonträgerherstellerrechten an den auf dem Album enthaltenen Musikaufnahmen dar, das nur durch den Vortrag konkreter Anhaltspunkte entkräftet werden kann, die gegen die Richtigkeit der in der Datenbank zu findenden Angaben sprechen.

b) Der Beweis, dass unter einer IP-Adresse während eines bestimmten Zeitraums Musikdateien öffentlich zugänglich gemacht worden sind, kann dadurch geführt werden, dass ein durch Screenshots dokumentierter Ermittlungsvorgang des vom klagenden Tonträgerhersteller beauftragten Unternehmens vorgelegt und der regelmäßige Ablauf des Ermittlungsvorgangs durch einen Mitarbeiter des Unternehmens erläutert wird.

c) Der Beweis, dass eine durch das mit den Nachforschungen beauftragte Unternehmen ermittelte IP-Adresse zum Tatzeitpunkt einem konkreten Internetanschluss zugeordnet war, kann regelmäßig durch die vom Internetprovider im Rahmen staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen zur Aufklärung von Urheberrechtsverletzungen im Wege des Filesharing durchgeführte Zuordnung geführt werden. Fehlt es an konkreten Anhaltspunkten für eine Fehlzuordnung, ist es nicht erforderlich, dass ein Tonträgerhersteller nachweist, dass die durch den Internetprovider vorgenommenen Zuordnungen stets absolut fehlerfrei sind.

BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 - I ZR 19/14 - OLG Köln - LG Köln

Den Volltext der Entscheidung können Sie hier abrufen:

Weitere Informationen zu den am selben Tag veröffentlichten Filesharing-Urteilen des BGH finden Sie hier: Tauschbörse II und Tauschbörse III

Autor
Rechtsanwalt Marcus Dury LL.M. - Fachanwalt für IT-Recht
Rechtsanwalt Marcus Dury LL.M. - Fachanwalt für IT-Recht
Inhaber der Kanzlei - Fachanwalt IT-Recht
Rechtsanwalt Marcus Dury LL.M. ist auf die Beratung in Fragen des IT-Rechts spezialisiert und berät seit mehr als 15 Jahren fokussiert im Bereich des Gewerblichen Rechtsschutzes und den damit verbundenen Rechtsgebieten (Urheberrecht, Markenrecht und Wettbewerbsrecht). Als Fachanwalt für IT-Recht und Master of Law & Informatics sowie Unternehmer / Investor bringt er insgesamt mehr als 20 Jahre Beratungserfahrung in seine Mandate ein. Seine Beratungsschwerpunkte liegen im Bereich der IT-Vertragsberatung (Softwarelizenzbedingungen, IT-Projektverträge oder EVB-IT Verträge), der IT-Projektberatung und der Beratung im bei markenrechtlichen Konflikten sowie der Konsolidierung international ausgedehnter Markenportfolios.