Das deutsche Urheberrecht stellt – anders als beispielsweise das US-amerikanische – den Urheber in den Mittelpunkt und gesteht diesem zunächst uneingeschränkt die Urheberrechte an den von ihm geschaffenen Werken zu.
Daher bedarf es zur Verwertung der geschaffenen Werke durch andere (juristische oder natürliche) Personen als den Urheber selbst der Übertragung von Nutzungsrechten. Das erfolgt in der Regel durch schriftliche Verträge, um spätere Zweifel und Streitigkeiten zu vermeiden.
Idealerweise enthalten diese ausreichende Regelungen darüber, welche Nutzungsrechte in welchem Umfang übertragen werden sollen. Doch die Praxis zeigt, dass es häufig nicht so einfach ist.
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Spätestens, wenn der Lizenznehmer urheberrechtlich geschützte Werke in anderem Rahmen nutzen will, als dies ursprünglich vorgesehen war, stellt sich vielfach die Frage, ob eine solche Nutzung ohne weitere Vereinbarungen zulässig ist. Kommt es zum Streit zwischen dem Urheber und dem Nutzungsberechtigten (Lizenznehmer) über Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsrechte, muss dies anhand der getroffenen Vereinbarung überprüft werden. In der Praxis fehlen aber oft ausdrückliche Absprachen. Was gilt, wenn gar nicht im Einzelnen geregelt wurde, welche Rechte in welchem Umfang der Urheber an seinen Auftraggeber übertragen hat? Oder wenn die getroffenen Regelungen unklar sind?
Hier kommt die Übertragungszwecklehre ins Spiel, die früher auch Zweckübertragungslehre genannt wurde. Diese Übertragungszwecklehre beruht auf ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts sowie daran anschließend des Bundesgerichtshofes (BGH) und kommt insbesondere in § 31 Absatz 5 UrhG zum Ausdruck. Die in älteren Veröffentlichungen geläufige Bezeichnung als Zweckübertragungslehre (oder auch Zweckübertragungstheorie) wurde in neueren Urteilen des BGH zugunsten der Bezeichnung Übertragungszwecklehre (oder Übertragungszwecktheorie) aufgegeben, da es nicht um die Übertragung eines Zwecks, sondern um den Zweck der Übertragung von Rechten geht. Inhaltlich ist insoweit jedoch dasselbe gemeint: wenn unklar ist, welche Rechte der Urheberrechtsinhaber einer anderen Person eingeräumt hat, so sind im Zweifel nur die Rechte übertragen worden, die zur Erreichung des Zwecks der Übertragung erforderlich sind.
Die Übertragungszwecktheorie dient dabei also in erster Linie dem Schutz des Urhebers, zu dessen Gunsten angenommen wird, dass nicht mehr Rechte als notwendig übertragen wurden. Damit bleibt dem Urheber im am weitesten möglichen Umfang die Möglichkeit erhalten, die Nutzungsrechte an den von ihm geschaffenen Werken auch noch anderweitig zu vergeben und damit seine Werke auch weitergehend kommerziell zu verwerten.
Der Ursprung der Übertragungszwecklehre geht dabei insbesondere auf die Frage der Einräumung von Nutzungsrechten an bisher unbekannten Nutzungsarten zurück. Das Reichsgericht hatte beispielsweise im Jahr 1929 darüber zu entscheiden, ob die unbeschränkte Übertragung der Nutzungsrechte an den Werken Wilhelm Buschs an einen Verlag auch die bei Übertragung noch nicht absehbare Verwertung im Rahmen von Rundfunksendungen umfasste. Das Reichsgericht hat dies mit der Begründung verneint, das Urheberrecht sei nur in demjenigen Umfang abgetreten worden, der nach den damaligen Umständen als anerkannter, gesetzlich geschützter Inbegriff nutzbarer Befugnisse für den Verkehr in Betracht gekommen sei. Hiernach habe sich auch das dafür gewährte Entgelt bestimmt. Wäre eine Verwertung mit allen unvorhergesehenen Möglichkeiten beabsichtigt gewesen, hätte dies gesondert vereinbart werden müssen. Eine diesem Gedanken entsprechende Regelung findet sich im heutigen Urheberrechtsgesetz im § 31a, wonach die Einräumung von Rechten für unbekannte Nutzungsarten einer gesonderten Vereinbarung in Schriftform bedarf.
Umgekehrt kann die Übertragungszwecklehre in bestimmten Fällen auch demjenigen, der urheberrechtlich geschützte Werke Anderer nutzt, eigene Rechte einräumen. Insofern dient der Rechtsgedanke des § 31 Absatz 5 UrhG zwar in erster Linie dem Schutz des Urhebers, ist aber nicht zwingend darauf beschränkt. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass dem deutschen Urheberrecht insgesamt der Grundsatz innewohnt, den Urheber möglichst umfassend an dem wirtschaftlichen Nutzen zu beteiligen, der aus seinem Werk gezogen wird (Beteiligungsgrundsatz). Jedenfalls solange dieser Grundsatz gewahrt ist, kann auch ein Verwerter urheberrechtlich geschützter Werke aus der Übertragungszwecktheorie Rechte ableiten.
So hat beispielsweise das Landgericht München I angenommen, dass eine Fotoagentur, der von ihren Fotografen umfassende, ausschließliche und inhaltlich unbegrenzte Nutzungsrechte für die Online-Veröffentlichung von Partyfotos eingeräumt werden, auch Auskunfts- und Unterlassungsansprüche gegen Dritte geltend machen kann, wenn diese die Fotos in Printmedien veröffentlichen (LG München I, Urteil vom 07.05.2003, Az. 21 O 5250/03). Insofern steht dieses Recht nicht ausschließlich dem Urheber zu, auch wenn der Verwerter – hier die Fotoagentur – über keine Nutzungsrechte für die Print-Nutzung verfügt. Daher ist die Übertragungszwecktheorie jedenfalls in bestimmten Fällen nicht nur geeignet, dem Urheber möglichst viele Rechte zu erhalten, sondern gibt auch dem Verwerter die Sicherheit, auf alle nötigen Rechte zugreifen zu können, um den Zweck der Übertragung der Nutzungsrechte zu erreichen und diese Nutzungsrechte notfalls auch gegen Dritte zu verteidigen.
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