Das Jahr 2022 wird einige Änderungen für Online-Händler mitbringen. Die Bundesrepublik Deutschland hatte insgesamt drei EU-Richtlinien in nationales Recht zu übertragen. EU-Richtlinien gelten – anders als EU-Verordnungen wie die DSGVO – nicht unmittelbar, sondern sind durch den jeweiligen nationalen Gesetzgeber in nationales Recht umzusetzen.
Im Januar 2020 trat die so genannte Omnibus-Richtlinie (EU) 2019/2161 in Kraft. Diese dient vor allem der Verbesserung des Verbraucherschutzrechts und ist Teil des so genannten „New Deal for Customers“ der EU-Kommission. Dieser soll das Verbraucherschutzrecht im Hinblick auf die zunehmende Digitalisierung anpassen. Zudem wurde die Europäische Warenkaufrichtlinie (kurz: WKRL – (EU) 2019/711) sowie die Richtlinie über digitale Inhalte und Dienstleistungen (kurz: DIDRL – (EU) 2019/770) in nationales Recht umgesetzt.
Im Zuge der Umsetzung in Deutschland wurden mehrere Gesetzesänderungen vorgeschlagen und teilweise bereits verabschiedet.
Die WKRL soll die Rechte der Verbraucher im Hinblick auf den Kauf von Produkten und Hardware mit digitalen Elementen stärken. Dies betrifft insbesondere Produkte aus dem sogenannten Sektor des „Internet of Things“ (IOT) wie z.B. Smart-TVs, Smartwatches, etc. Die DIDRL hingegen beschäftigt sich ausschließlich mit sogenannten „digitalen Inhalten“ und Dienstleistungen. Mit der Richtlinie trifft der Gesetzgeber erstmals Regelungen für Software, Videospiele, Audiodateien, aber auch für die damit verbundenen Dienstleistungen wie zum Beispiel das Cloud Computing, Video on Demand oder Streaming-Dienste.
Die Omnibus-Richtlinie hingegen betrifft insbesondere die Stärkung der Rechte der Verbraucher. Insgesamt soll eine Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften erfolgen. Die Richtlinie selbst ändert hierbei bereits bestehende Richtlinien, nämlich: die Verbraucherrechte-Richtlinie (2011/83/EU), die Richtlinie über Preisangaben (98/6/EG), die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (2005/29/EG), sowie die Richtlinie über missbräuchliche Vertragsklauseln (93/13/EWG).
Am wichtigsten im Bereich des Onlinehandels sind vor allem die Änderung der Preisangabenverordnung. Dort ist insbesondere der neu geschaffene § 11 zu beachten. Gemäß diesen Vorgaben muss der Händler zukünftig bei Rabattaktionen darauf achten, dass er als Referenzwert für die Preisermäßigung den günstigsten Preis der letzten 30 Tage angibt.
Wird also ein Produkt 10 Tage vor der Rabatt-Aktion z.B. von 100 auf 160 € „verteuert“, darf sich die danach folgende Rabattaktion (80 €) nicht auf die 160 € beziehen, sondern nur noch auf die 100 €. Der korrekte Rabatt ist ab der Änderung somit 20 % und nicht wie vorher 50 %.
Neben den Änderungen im Rahmen der Omnibus-Richtlinie nahm man weitere kleinere Änderungen an der PAngV vor. Die Novellierung führt zwar zu einer deutlichen Umstrukturierung, beinhaltet aber keine wesentlichen inhaltlichen Änderungen.
Nachdem der Gesetzbegeber Ende letzten Jahres das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ verabschiedete, verabschiedete er dieses Jahr am 10.08.2021 das „Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht“ und veröffentlichte dies im Bundesgesetzblatt am 17.08.2021.
Wesentliche Inhalte der UWG-Anpassungen sind die Bereiche Warenqualität, Influencer Marketing, Regelungen zu Online-Marktplätzen und ein Schadensersatzanspruch für Verbraucher in bestimmten Fällen.
In der EU ist es derzeit verbreitet, Produkte auf den Markt zu bringen, die eine identische Aufmachung haben, jedoch je nach Land in Qualität und Zusammensetzung Unterschiede aufweisen, die nicht durch legitime Faktoren wie zum Beispiel unterschiedliche Rechtsprechung oder Gesetzeslage gerechtfertigt sind. Dieses Vorgehen soll zukünftig durch § 5 Abs. 3 Nr. 2 UWG verhindert werden.
Auch Influencer werden durch die UWG-Anpassung erstmalig im Hinblick auf die Werbevorschriften reglementiert. Der neu geschaffene § 5a Abs. 4 UWG regelt endlich klar, wann ein kommerzieller Zweck vorliegt und, wann nicht. Es ist nun grundsätzlich so, dass kein kommerzieller Zweck vorliegt, wenn der Handelnde (also der Influencer) kein Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung für die Handlung erhält oder sich versprechen lässt. Anhand der Gesetzesbegründung ist jedoch davon auszugehen, dass der Begriff nicht lediglich auf Geldzahlungen gerichtet ist, sondern auch das kostenlose zur Verfügung stellen von Testprodukten beinhaltet. Neu ist vor allem auch, dass die Gegenleistung zunächst vermutet wird und der Influencer im Streitfall nachweisen muss, dass er eine solche nicht erhalten hat. Dies dürfte schwer sein, wenn geldwerte Vorteile in Form von Produkten als Freebies (Werbegeschenke) übersendet werden und ein Influencer sich öffentichkeitswirksam unkritisch mit diesen auseinandersetzt und die Produkte anschließend behalten kann.
§ 5b UWG schafft noch weitergehende Pflichten für Marktplatzbetreiber als es die bisherige Rechtslage vorsah. So macht der Gesetzgeber insbesondere die Angabe darüber, ob es sich bei den Anbietern auf dem Marktplatz um Unternehmer handelt, zu einer wesentlichen Information. Zusätzlich hat er die Pflicht über die Festlegung des Anzeige-Rankings und die Gewichtung der Hauptparameter aufzuklären.
Auch die Bewerbung mit Bewertungen wird stärker reglementiert. Der Unternehmer muss zukünftig darüber aufklären, ob und wie er sicherstellt, dass die (Produkt)-Bewertungen tatsächlich von Verbrauchern stammen, die die Ware oder Dienstleistung tatsächlich nutzten oder erwarben.
Neu im UWG ist vor allem auch die Einführung eines selbstständigen Schadensersatzanspruches für Verbraucher. § 9 UWG gibt den Verbrauchern im Falle von Verstößen gegen einige Regelungen aus dem UWG einen originären Schadenersatzanspruch. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Unternehmen mittels irreführender Werbung einem Kunden zum Kauf eines Produktes bewegt und dieser ohne die irreführende Werbung das Produkt nicht erworben hätte. Fachkreise fürchten hier eine Amerikanisierung des deutschen Lauterkeitsrechts und sehen die Gefahr von spezialisierten Kanzlei, die in Massenverfahren eine unbestimmte Anzahl von Verbraucheransprüchen wegen wettbewerbswidrigem Verhalten in Sammelklagen bündeln könnten.
Diese geänderten Regelungen treten ebenfalls am 28.05.2022 in Kraft.
Im Bereich der Warenkaufrichtlinie (WKRL) wurde vor allem das BGB und das EGBGB angepasst. Maßgeblich überarbeitete der Gesetzgeber vor allem den Mangelbegriff des § 434 BGB und nahm neue Regelungen bei Sachmängeln im Hinblick auf digitale Elemente auf. Am wichtigsten ist, dass selbst wenn für eine Sache eine Beschaffenheitsvereinbarung besteht und die Sache der Beschaffenheitsvereinbarung entspricht, sie mangelhaft sein kann. Dies ist dann der Fall, wenn sie den objektiven Anforderungen nicht genügt. Die Änderungen gelten sowohl für den B2C als auch für den B2B Bereich.
Zusätzlich führt der Gesetzgeber eine Aktualisierungspflicht für digitale Elemente ein. Die genaue Ausgestaltung der Aktualisierungspflicht wird jedoch mangels gesetzlicher Grundlagen Gegenstand der Rechtsprechung in den nächsten Jahren werden. Als grober Anhaltspunkt sollte ein digitales Element so lange aktualisiert werden, wie es üblicherweise in Verwendung ist. Dies dürfte bei KFZ mit digitalem Navigationsgerät auf jeden Fall länger sein als drei Jahre. Da jedoch Händler die Aktualisierungspflicht in den seltensten Fällen tatsächlich selbst vornehmen, sondern diese vom Hersteller abhängig ist, bleibt in vielen Fällen zu erwarten, dass die Aktualisierung aufgrund von Unmöglichkeit nicht durchführbar ist.
Verbraucherfreundlich ist ebenfalls die Verlängerung der Beweislastumkehr. Der neue § 477 Abs. 1 BGB-E verlängert diese von 6 Monaten auf 1 Jahr. Dabei nimmt der Gesetzgeber auch Rücksicht auf die neu eingeführte Sache mit digitalem Element. Wird bei einer Sache mit digitalem Element die dauerhafte Bereitstellung des digitalen Elements vertraglich geschuldet, gilt die Beweislastumkehr gemäß § 477 Abs. 2 BGB-E sogar für den vereinbarten Bereitstellungszeitraum, mindestens aber für zwei Jahre.
Die Änderungen treten am 01.01.2022 in Kraft.
Auch in Rahmen der Umsetzung der Richtlinie über digitale Inhalte und Dienstleistungen (DIDRL) wurde das BGB und das EGBGB angepasst.
Im Wesentlichen geht es bei der Umsetzung um die Einführung des „Verbrauchervertrag für digitale Produkte“. Zu diesem Zweck fasste man den § 327 BGB neu und ergänzte ihn mit zahlreichen Variationen (a – u). Der Gesetzgeber nahm in § 578b BGB erstmalig den Begriff der Verträge über die Miete digitaler Produkte auf. Dieser betrifft primär Cloud- und SaaS Lösungen.
Auch für die digitalen Produkte gibt es zukünftig eine nicht näher geklärte Aktualisierungspflicht. Die Änderungen treten ebenfalls am 01.01.2022 in Kraft.
Online-Händler sollten dringend prüfen, ob für sie ein Anpassungsbedarf im Hinblick auf die im nächsten Jahr in Kraft tretenden Änderungen besteht. Insbesondere sollten Rabattaktionen zukünftig so ausgestaltet sein, dass sie den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. In diesem Punkt sehen wir ein durchaus großes Abmahnungspotenzial. Soweit Sie digitale Inhalte bzw. digitale Elemente vertreiben, sollten Sie insbesondere das Thema Aktualisierungspflicht im Auge behalten und gegebenenfalls mit Ihren Herstellern in Kontakt treten.
Gerade Anbieter von SaaS und Cloud-Lösungen sollten ihre Verkaufsmodelle und AGB noch einmal kritisch prüfen und gegebenenfalls bestehende Änderungen in die AGB aufnehmen bzw. aufnehmen lassen.
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