Mit der Covid-19-Pandemie und dem bundesweiten Lockdown im März dieses Jahres stieg die Nachfrage bestimmter Waren drastisch an, welche der durchschnittliche Verbraucher noch bis dato für selbstverständlich oder nahezu wertlos einschätzte. Von heute auf morgen waren Nudeln, Handdesinfektionsmittel, Klopapier und Atemschutzmasken plötzlich besonders begehrt. Verschiedenste Groß- und Kleinhändler stürzten sich darauf, die massenhafte Nachfrage der Verbraucher erfüllen zu können.
Im Zuge dieses Kaufverhaltens entstanden vielerlei rechtliche Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Händlern, mit dem Ziel sich in den stark umkämpften Marksegmenten durchzusetzen. Besonders auffällig ist, dass die meisten Streitigkeiten einen Bezug zu Online-Shops und Online-Verkaufsplattformen aufweisen.
Dem im Folgenden besprochenen Urteil des Landgerichts Mannheim vom 27.08.2020 (Az. 22 O 11/20) mit markenrechtlichem und wettbewerbsrechtlichem Schwerpunkt, unterliegt eine solche Auseinandersetzung zwischen Händlern auf der Plattform Amazon im Zusammenhang mit dem „Anhängen“ von Angeboten.
Die Beklagte ist Verkäuferin auf der Amazon-Plattform und hatte als „Ersteinstellerin“ eine bestimmte Art von FFP1-Masken angeboten. Durch das Einstellen von Artikeln erhält der Verkäufer eine individuelle Identifikationsnummer zu dem Produkt (sogenannte ASIN). Die Beklagte gab in der Beschreibung der Masken an, diese würden „von Colorus“ stammen. Die Beklagte war nämlich die Inhaberin der bei der DPMA angemeldeten Wortmarke „Colorus“.
Die Klägerin – auch Verkäuferin auf der Amazon-Plattform – wollte dieselben Atemschutzmasken anbieten und hatte sich dem Angebot der Beklagten „angehängt“. Das Anhängen auf Amazon erlaubt es Mitbewerbern, die das gleiche Produkt verkaufen wollen, sich an bereits eingestellte Angebote anzuschließen und die Ware zu einem anderen Preis anzubieten. Der „Anhänger“ und sein Kaufpreis sind für den Verbraucher auf der Angebotsseite des Ersteinstellers als „andere Verkäufer auf Amazon“ sichtbar. Der Verbraucher erhält dadurch die Möglichkeit, eine informierte Wahl zu treffen, von welchem Verkäufer und zu welchem Preis er die konkrete Ware erwerben will.
Vorliegend verlangte die Beklagte auf das Anhängen der Klägerin, dass die Klägerin sich von ihrem Angebot entkoppeln solle, sodass sie nicht für Verbraucher als „andere Verkäufer auf Amazon“ erscheinen würde. Die Klägerin verletze nämlich das Markenrecht der Beklagten, indem sie sich durch das Anhängen die Angebotsbeschreibung der Beklagten zu eigen mache. Die Beklagte forderte die Klägerin auf, sie solle ein eigenes Angebot auf Amazon mit einer eigenen ASIN erstellen.
Ein Testkauf des Klägervertreters ergab jedoch, dass die von der Beklagten angebotene Maske nicht „von Colorus“ stammt, sondern von einer anderen Marke.
Die Klägerin wehrte sich folglich gegen das Verlangen der Beklagten, indem sie Klage erhob, um gerichtlich festzustellen, dass die Beklagte keinen entsprechenden Unterlassungsanspruch gegen die Klägerin hat. . Laut der Klägerin würde die Beklagte mit ihrem Angebot selbst wettbewerbswidrig handeln und verhindere faktisch den Wettbewerb auf der Plattform.
Das Gericht gab der Klägerin Recht, dass sie ihr Anhängen an das Angebot der Beklagten nicht rückgängig machen muss.
Zwar ist der markenrechtliche Unterlassungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin nach § 14 Abs. 1, 2 Nr. 1 MarkenG tatbestandlich erfüllt, indem die Klägerin die Beschreibung („von Colorus“)sich zu eigen mache und dadurch die Marke i. S. d. § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG benutze.
Trotzdem entfällt der Anspruch der Beklagten wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB (vgl. OLG Frankfurt a. M., GRUR-RR 2012, 119 - ALPLAND).
Die Beklagte handelte rechtsmissbräuchlich, weil sie nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG selbst unlauter handelte, indem sie die markenrechtliche Verletzung der Klägerin durch ihr eigenes Handeln herbeiführte. Tatbestandlich ist der Unterlassungsanspruch nur erfüllt, da die Beklagte dies durch ihr eigenes Handeln herbeiführte.
„Rn. 31: […] Die Unlauterkeit des beanstandeten Handelns der Klägerin wird nämlich einzig und allein durch das irreführende eigene Angebot der Beklagten provoziert, die die Atemschutzmasken als Ersteinstellerin bei Amazon mit dem Hinweis „von Colorus“ bewirbt […].“
Einerseits war der Hinweis der Beklagten unlauter, weil die Beklagte den durchschnittlichen Verbraucher mit ihrer Beschreibung darüber täuschte, dass sie die Herstellerin des Produkts sei. Die Verwendung der Präposition „von“ verweist nämlich auf die Herstellereigenschaft des Produkts.
„Rn. 31: […] Der angesprochene Verkehr fasst eine solche Angabe regelmäßig als ein auf den Hersteller des Produktes hinweisendes Kennzeichen (mithin eine Marke oder ein sonstiges unternehmensbezogenes Zeichen) auf. Dies ergibt sich aus der Verbindung mit der vorangestellten und auf einen Ursprung hinweisenden Präposition „von“ (OLG Hamm GRUR-RR 2019, 190) […]“
Die Beklagte war nach dem Ergebnis des unstreitigen Testkaufs entsprechend der Verkehrsauffassung nicht Herstellerin der streitgegenständlichen Atemschutzmasken. Sie präsentierte sich zu Unrecht als Herstellerin.
„Rn. 31: […] Wer sich als „Hersteller“ bezeichnet wird vom Verkehr als ein Unternehmen angesehen, das die von ihm angebotenen Waren im Wesentlichen selbst herstellt. Er braucht zwar nicht sämtliche Fertigungsschritte vollzogen zu haben. Bei den aus verschiedenen Teilen und aus unterschiedlichem Material bestehenden Waren geht der durchschnittlich informierte Verbraucher nicht davon aus, dass alle Teile und alle Substanzen von demjenigen stammen, der sich als Hersteller präsentiert. […]“
Andererseits fehle ein schutzwürdiges Interesse der Beklagten am Vorgehen gegen die Klägerin. Denn die Beklagte hätte die Markenrechtsverletzung beheben können, indem sie ihre Angabe „von Colorus“ in ihrer Beschreibung selbst streicht.
Das Streichen der Angabe war zur Ermöglichung von Wettbewerb auf der Plattform schlechthin geboten, da der Klägerin mit ihrem Angebot sonst der Zugang zur Plattform verwehrt geblieben wäre. Nach einem Erstangebot können andere Anbieter das Produkt nicht unter einer anderen ASIN anbieten, ohne sich dem Vorwurf ausgesetzt zu sehen, irreführend eine „Dublette“ anzubieten (OLG Hamm, GRUR-RR 2017,328 – Fahrrad-Lastenanhänger).
Hierzu fand das Gericht auch klare mahnende Worte:
„Rn. 32: […] Das Ziel der Beklagten, durch diese Vorgehensweise von vorneherein das auf der Internetplattform Amazon systemimmanente Anhängen von Wettbewerbern an das eigene (Erst-)Angebot zu unterbinden, ist wettbewerbsrechtlich inakzeptabel. […]“
Das Urteil des Landgerichts Mannheim ist eines der ersten gerichtlichen Corona-Entscheidungen im Marken- und Wettbewerbsrecht. Händler, die Online-Vermittlungsdienste wie Amazon und Ebay nutzen, sollten sich die Bedeutung dieser Entscheidung bewusst machen.
Für Erstersteller gilt es zu beachten, dass sie bei der Erstellung von Erstangeboten auf Amazon prüfen müssen, ob durch eine protektionistische Gestaltung (hier: Beschreibung) des Angebots der Zugang zur Plattform (hier: das Anhängen auf Amazon) und damit der Wettbewerb behindert oder gar vereitelt wird.
Umgekehrt gilt es für Mitbewerber zu beachten, dass im Falle einer Abmahnung eines Ersterstellers zu prüfen ist, ob der Abmahnende mit seiner Gestaltung faktisch den Zugang zur Plattform vereitelt.
Co-Autor: Ref. jur. John Markus Maddaloni
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