Online-Händler müssen einiges an Informationspflichten beachten. Ob solche Informationspflichten auch über Herstellergarantien bestehen, war bisher nicht abschließend geklärt. Nun wurde vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage geklärt, ob für Online-Händler eine Informationspflicht über eine solche Garantie besteht, obwohl der Händler nicht aktiv damit wirbt.
Der Hersteller eines Produktes hat die Wahl kann zusätzlich zur gesetzlich bestehenden Gewährleistung eine so genannte „Herstellergarantie“ gewähren..- Bei der Garantie verpflichtet sich der Hersteller über die gesetzliche Gewährleistung hinaus zur Reparatur oder Neulieferung in Form eines Garantievertrages. Bewirbt der Online-Händler die Garantie als „besonderes Merkmal“ der angebotenen Ware, muss er zwingend auch auf die bestehenden Garantiebedingungen und den Inhalt der Garantie aufklären. Dies kann er z.B. durch Verlinkung der Garantie des Herstellers erfüllen.
Bislang ungeklärt war, ob der Händler auch in dem Fall, in dem er nicht aktiv mit der Garantie wirbt auf die Garantie des Herstellers hinweisen muss. Gegen eine solche Informationspflicht entscheiden beispielsweise das OLG Celle (Urteil vom 26.03.2020 – Az. 13 U 73/19) sowie das OLG Bamberg (Hinweisbeschluss vom 19.03.2020 – Az. 3 U 14/20).
Die Beklagte ist eine Händlerin, die auf der Internetplattform Amazon ein Schweizer Offiziersmesser des Herstellers Victorinox angeboten hatte. Der Hersteller gewährt auf diese Messer eine Garantie. Auf diese hat die Händlerin jedoch nicht hingewiesen.
Auf der Angebotsseite befand sich jedoch ein Link mit der Bezeichnung „Betriebsanleitung“, der die Kaufinteressenten zu dem Produktinformationsblatt des Herstellers führte.
In den Produktinformationen des Herstellers wurde in einem Abschnitt auf die bestehende Herstellergarantie wie folgt hingewiesen:
„Die Victorinox-Garantie erstreckt sich zeitlich unbeschränkt auf jeden Material- und Fabrikationsfehler (für Elektronik 2 Jahre). Schäden, die durch normalen Verschleiß oder durch unsachgemäßen Gebrauch entstehen, sind durch die Garantie nicht gedeckt.“
Aufgrund dieser Tatsache mahnte eine Konkurrentin die Beklagte ab und verlangte die Abgabe einer Unterlassungserklärung. Dieser Aufforderung kam die Beklagte nicht nach, weshalb die Konkurrentin klagte.
Das Landgericht Bochum wies in erster Instanz in seinem Urteil vom 21.11.2018 die Klage ab (Az. 13 O 110/18). Das Gericht ist im Hinblick auf die Klage der Ansicht, dass die Verlinkung auf die Betriebsanleitung keine geschäftliche Handlung darstelle, die dazu geeignet sei, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen. Die Beklagte habe auf der eigentlichen Angebotsseite an keiner Stelle mit dem Wort „Garantie“ geworben. Erst auf Seite 2 der Bedienungsanleitung, die erst über den Link unter der Rubrik „Weitere technische Informationen“ zu erreichen ist, sei ein Hinweis auf die von dem Hersteller gewährte Garantie gegeben. Diese Verlinkung stelle weder eine Garantieerklärung noch eine Werbung der Beklagten mit einer Garantie dar.
Dagegen legte die Klägerin Berufung ein. Im Zuge der Berufung entschied das Oberlandesgericht Hamm in seinem Urteil vom 26.11.2019, dass der Händler über den Inhalt und den Umfang der Garantie informieren müsse und die Beklagte zur Unterlassung verpflichtet ist (Az. 4 U 22/19). Die Regelung in § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB knüpft nach Ansicht des OLG Hamm allein an die Existenz einer Garantieerklärung des Produktherstellers oder eines Dritten an. Eine besondere Hervorhebung der Garantie durch Werbung sei nicht erforderlich, um Informationspflichten über Herstellergarantien zu begründen.
Wenn das Warenangebot einen Hinweis auf eine bestehende Garantie enthalte, dann müsse in jedem Fall eine Informationspflicht eingreifen, die auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers hinweisen.
Gegen die Entscheidung des OLG Hamm legte die Beklagte Revision ein. Der Bundesgerichtshof (BGH) stellte daraufhin Vorlagefragen an den Gerichtshof der Europäischen Union.
Folgende 3 Vorlagefragen musste der EuGH nun in einem Vorabentscheidungsverfahren klären:
Der EuGH entschied nun, dass allein das Bestehen einer Herstellergarantie keine Informationspflicht auslöst.
Gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie muss der Unternehmer dem Verbraucher „gegebenenfalls den Hinweis auf das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst, Kundendienstleistungen und gewerblichen Garantien“ geben. Aus dem Wortlaut der Vorschrift und der Formulierung „gegebenenfalls“ ergibt sich, dass ein Unternehmer, wenn er eine gewerbliche Garantie gewährt, verpflichtet ist, den Verbraucher auch über das Bestehen und die Bedingungen dieser Garantie zu informieren.
Jedoch lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen, ob ein Unternehmer, falls eine gewerbliche Garantie des Herstellers besteht, verpflichtet ist, den Verbraucher über das Bestehen und die Bedingungen dieser Garantie zu informieren. Nach Ansicht des EuGH diene die Formulierung „gegebenenfalls“ zum einen nur der Klarstellung, dass die genannte Informationspflicht für eine bestehende gewerbliche Garantie gilt. Zum anderen kann der Umstand, dass in der Richtlinie von „gewerblichen Garantien“ in der Mehrzahl die Rede ist, so verstanden werden, dass sowohl unterschiedliche gewerbliche Garantien, die ein Unternehmer für ein und dieselbe Ware oder für verschiedene Waren anbieten kann, als auch solche gewerbliche Garantien umfasst, die gleichzeitig und personenverschieden vom Unternehmer und vom Hersteller gewährt werden.
Der Begriff „gewerbliche Garantie“ wird in Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie als „jede dem Verbraucher gegenüber eingegangene Verpflichtung des Unternehmers oder eines Herstellers“ definiert. Daraus folge, dass der Begriff „gewerbliche Garantie“ im Sinne der Richtlinie auch die vom Hersteller angebotene gewerbliche Garantie umfasst.
Die Formulierung „oder eines Herstellers“ in Art. 2 Nr. 14 der Richtlinie nehme auf eine Situation Bezug, in der Unternehmer und Hersteller nicht personenidentisch sind.
Der EuGH nahm eine Abwägung zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen vor. Die Bereitstellung von Informationen über gewerbliche Garantien stelle zwar ein hohes Verbraucherschutzniveau sicher, jedoch erscheine eine zwingende Verpflichtung, solche Informationen stets zur Verfügung zu stellen, unverhältnismäßig.
Eine solche Verpflichtung würde den Unternehmer dazu zwingen, die Informationen über eine solche Garantie mit erheblichem Aufwand zu sammeln und zu aktualisieren. Dies gilt obgleich zwischen Unternehmern und den Herstellern nicht notwendigerweise eine unmittelbare vertragliche Beziehung besteht und die gewerbliche Herstellergarantie grundsätzlich nicht Gegenstand des Vertrags ist, den sie mit dem Verbraucher abschließen möchte.
Daher kam der EuGH zu dem Ergebnis, dass eine Informationspflicht nur besteht, wenn der Verbraucher ein berechtigtes Interesse am Erhalt dieser Informationen habe, um die Entscheidung zu treffen, ob er sich vertraglich an den Unternehmer binden möchte. Dies wird nicht durch ein bloßes Bestehen einer Herstellergarantie ausgelöst.
Ein berechtigtes Interesse des Verbrauchers liege nach Ansicht des EuGH vor, wenn der Unternehmer die vom Hersteller angebotene gewerbliche Garantie zu einem zentralen oder entscheidenden Merkmal seines Angebots macht. Die Informationspflicht bestehe insbesondere dann, wenn der Unternehmer die Aufmerksamkeit des Verbrauchers ausdrücklich auf das Bestehen einer gewerblichen Garantie des Herstellers lenkt, um daraus ein Verkaufs- oder Werbeargument herzuleiten.
Eine bloße beiläufige Erwähnung einer Herstellergarantie im Angebot des Unternehmers löse jedoch keine solche entsprechende Informationspflicht aus.
„Für die Feststellung, ob die gewerbliche Garantie des Herstellers ein zentrales oder entscheidendes Merkmal des Angebots des Unternehmers im Sinne von Rn. 44 des vorliegenden Urteils darstellt, sind Inhalt und allgemeine Gestaltung des Angebots hinsichtlich der betroffenen Ware zu berücksichtigen sowie die Bedeutung der Erwähnung der gewerblichen Garantie des Herstellers als Verkaufs- oder Werbeargument, die Positionierung der Erwähnung der Garantie im Angebot, die Gefahr eines Irrtums oder einer Verwechslung, die durch eine solche Erwähnung bei einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher hinsichtlich der unterschiedlichen Garantierechte, die er geltend machen kann, oder hinsichtlich der tatsächlichen Identität des Garantiegebers hervorgerufen werden könnte, das Vorliegen von Erläuterungen zu weiteren mit der Ware verbundenen Garantien im Angebot und jeder weitere Gesichtspunkt, der ein objektives Schutzbedürfnis des Verbrauchers begründen kann.“
Die Information sei am Ende der verlinkten Betriebsanleitung unter der Rubrik „weitere technische Informationen“ verfügbar gewesen und wurde nur beiläufig erwähnt. Zudem erstellte der Hersteller und nicht der Unternehmer das Informationsblatt, aus dem sich die Garantie ergab. Schließlich erwähnte die Beklagte auch an keiner Stelle des Angebots eine andere Garantie, sodass eine Irreführungsgefahr ebenfalls nicht besteht.
Der EuGH entschied hinsichtlich der 3. Vorlagefrage, dass der Unternehmer in den Fällen, in denen er verpflichtet ist, dem Verbraucher vorvertragliche Informationen zur gewerblichen Garantie des Herstellers zur Verfügung zu stellen, gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie nur Informationen zum Bestehen und zu den Bedingungen dieser Garantie übermitteln muss, nicht aber zum gesamten Inhalt der Garantie.
Art. 6 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie gilt für den Hinweis auf das Bestehen des gesetzlichen Gewährleistungsrechts und nicht für die Bedingungen der gewerblichen Garantie im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie. Art. 6 Abs. 2. Der zweite Gedankenstrich umfasse insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie die Bedingungen der gewerblichen Garantien. Der Begriff „Bedingungen“ umfasst notwendigerweise alle Bedingungen für die Anwendung und die Inanspruchnahme von gewerblichen Garantien. Wobei darauf hinzuweisen ist, dass vorvertragliche Informationen zu einer gewerblichen Garantie des Herstellers, nur zu dem Zweck zur Verfügung gestellt werden müssen, dem Verbraucher seine Entscheidung darüber zu ermöglichen, ob er sich vertraglich an den Unternehmer binden möchte.
Der Unternehmer ist daher verpflichtet, dem Verbraucher alle Informationen über die Bedingungen für die Anwendung und die Inanspruchnahme der betreffenden gewerblichen Garantie zur Verfügung zu stellen. Dies kann nicht nur den Reparaturort bei Beschädigungen oder mögliche Beschränkungen der Garantie einschließen, sondern auch Namen und Anschrift des Garantiegebers.
Art. 6 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie ist somit so auszulegen, dass die Informationen, die der Unternehmer dem Verbraucher zu den Bedingungen einer gewerblichen Garantie des Herstellers zur Verfügung stellen muss, alle Informationen hinsichtlich der Bedingungen für die Anwendung und die Inanspruchnahme einer solchen Garantie umfassen, die dem Verbraucher seine Entscheidung darüber ermöglichen, ob er sich vertraglich an den Unternehmer binden möchte.
Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass nach Ansicht des EuGH eine Informationspflicht nur dann besteht, wenn der Unternehmer die Herstellergarantie eines Produktes zu einem zentralen Merkmal seines Angebots macht. Das bloße Bestehen oder die bloße Erwähnung einer solchen Garantie reicht nach Ansicht des EuGh hierfür nicht aus..
Der BGH wird nun über den Sachverhalt anhand der Entscheidung des EuGH entscheiden müssen. Es ist davon auszugehen, dass der BGH der Ansicht des EuGH folgen wird und die Klage mit dem Argument abweist, dass die beiläufige Erwähnung einer Herstellergarantie nicht ausreicht, um eine Informationspflicht zu begründen. Als Online-Händler sollten Sie prüfen, ob Sie die Herstellergarantie ausdrücklich in ihrem Angebot bewerben und die Aufmerksamkeit des Verbrauchers darauf lenken oder nicht. Auf der sicheren Seite sind Sie jedoch immer, wenn Sie darüber aufklären.
Co-Autor: Wissenschaftliche Mitarbeiterin – Stud. jur. Natalie De Agazio