Der BGH hat in seinem Urteil vom 27.10.2022 entschieden, wann bei einem Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nach „Hamburger Brauch“ bei einer strafbewehrten Unterlassungserklärung die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt.
Mehr zu den Hintergründen des Falls und der Entscheidung des BGH erfahren Sie im folgenden Blogbeitrag.
Was ist überhaupt der „Hamburger Brauch“?
Der sog. „Hamburger Brauch“ ist eine Form des Vertragsstrafeversprechens. Bei diesem verspricht der Schuldner dem Gläubiger für den Fall einer Vertragsverletzung keine feste Vertragsstrafe. Stattdessen kann der Gläubiger im Falle des Eintretens der Vertragsstrafe selbst eine „angemessene“ Vertragsstrafe festlegen. Die Höhe der Vertragsstrafe kann im Streitfall gerichtlich auf Angemessenheit geprüft werden.
Worum ging es in dem Fall?
2013 verwendete der Beklagte ein vom Kläger gefertigtes Lichtbind eines Antennenrotors für ein Verkaufsangebot auf der Internet-Handelsplattform eBay. Daraufhin verpflichtete sich der Beklagte dem Kläger gegenüber, „es bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Kläger zu bestimmenden, im Streitfall durch das zuständige Gericht zu überprüfenden angemessenen Vertragsstrafe zu unterlassen“, das Lichtbild oder Teile hiervon ohne die erforderlichen Rechte öffentlich zugänglich zu machen oder öffentlich zugänglich machen zu lassen. Der Kläger nahm diese Unterlassungserklärung im Juni 2013 an.
Bis Mai 2014 blieb das Lichtbild noch als Produktabbildung in den Verkaufsangeboten des Beklagten auf verschiedenen Länderseiten der Internet-Handelsplattform eBay abrufbar. Daher forderte der Kläger den Beklagten mit Einschreiben vom 22. Dezember 2016 zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 3.600 € auf. Die Annahme des Einschreibens verweigerte der Beklagte jedoch. Daraufhin versandte der Kläger am 12. Dezember 2017 ein inhaltsgleiches Einschreiben, das der Beklagte nicht abholte. Am 14. Dezember 2017 sendete der Kläger zusätzlich eine gleichlautende E-Mail an den Beklagten. Der Kläger Zahlung fordert vom Beklagten die Zahlung einer Vertragsstrafe von 3.250 €.
Da der Beklagte nicht auf die außergerichtlichen Schreiben reagierte erhob der Kläger Klage vor dem Amtsgericht Köln. Die Klage ging am 23. Dezember 2019 beim Amtsgericht in Köln ein und wurde dem Beklagten am 23. Januar 2020 zugestellt. Der Kläger beantragte den Beklagten zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 3.250 € sowie zur Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 434,05 €, jeweils nebst Zinsen, zu verpflichten.
Der Beklagte erhob daraufhin die Einrede der Verjährung gemäß § 214 BGB.
Die Verjährungsfrist einer Vertragsstrafe
Es handelt sich bei der Forderung zur Zahlung einer Vertragsstrafe wegen eines Verstoßes gegen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung um einen vertraglich begründeten Zahlungsanspruch. Dieser Anspruch verjährt nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen gemäß §§ 194 ff. BGB nach 3 Jahren. Gemäß § 199 Abs. 1 beginnt die Verjährungsfrist grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres in dem
Der bisherige Prozessverlauf
Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Köln waren der Ansicht, dass der Anspruch spätestens mit Ablauf des Jahres 2017 verjährt sei (AG Köln, Urteil vom 22.06.2022 – Az. 148 C 31/20; LG Köln, Urteil vom 26.08.2022 – Az. 14 S 11/20). Damit hätte die im Jahr 2019 eingegangene Klage die Verjährung nicht mehr gemäß § 2014 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmen können. Das Landgericht begründete seine Auffassung damit, dass der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist nicht erst mit der zu unterstellenden Bestimmung der Höhe der Vertragsstrafe und ihrer Einforderung durch das Schreiben des Klägers vom 22. Dezember 2016 in Gang gesetzt wurde. Die Verjährung habe bereits mit Ablauf des Jahres 2014 begonnen, in dem die Zuwiderhandlung des Beklagten zuletzt erfolgt sei. Würde die Verjährung erst mit der Leistungsbestimmung durch den Gläubiger beginnen, so könnte dieser den Beginn und damit den Eintritt der Verjährung nach seinem Belieben bestimmen. Dies wiederum widerspreche dem Sinn und Zweck des Verjährungsrechts, den Schuldner vor Beweisnöten infolge Zeitablaufs zu schützen, sowie dem Bedürfnis der Parteien und des Rechtsverkehrs nach klaren und eindeutigen Verhältnissen.
Entscheidung des BGH
Der Kläger legte gegen das Urteil des Landgerichts Köln Revision beim BGH ein. Der BGH hob die Entscheidung der Vorinstanz in seinem Urteil vom 27.10.2022 (Az. I ZR 141/21) auf und verwies das Verfahren zurück an das Landgericht.
Ein Anspruch ist im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entsteht nach Ansicht des BGH erst dann, wenner erstmals geltend gemacht und im Wege der Klage durchgesetzt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 08.07.2008 – Az. XI ZR 230/07; Beschluss vom 22.03.2017 – Az. XII ZB 56/16; Urteil vom 03.08.2017 – Az. VII ZR 32/17). Das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale ist nach Ansicht des BGH nicht maßgeblich. Grundsätzlich muss der Anspruch so fällig sein, dass er dem Gläubiger die Möglichkeit der Leistungsklage verschafft (vgl. BGH, Urteil vom 08.04.2015 – Az. IV ZR 103/15; Urteil vom 17.07.2019 – Az. VIII ZR 224/18, WM 2020, 425). Ab diesem Zeitpunkt kann der Gläubiger gemäß § 271 BGB erst die Leistung verlangen und gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Verjährung durch Klageerhebung hemmen.
Demnach ist nach Auffassung des BGH der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe im Sinne des„Hamburger Brauch“ nicht vor dem Jahr 2016 im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden.
Zwar ging nach Ansicht des BGH das Landgericht zutreffend davon aus, dass ein möglicher Verstoß der Beklagten gegen seine Unterlassungserklärung einen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe vor dem Jahr 2016 begründet hat, jedoch ist ein solcher Anspruch nicht vor seinem Vertragsstrafeverlangen im Dezember 2016 fällig geworden. Dies begründet der BGH dadurch, dass ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nach „Hamburger Brauch“ – anders als ein Anspruch auf Zahlung einer festen Vertragsstrafe – nicht schon mit Zuwiderhandlung fällig wird, sondern erst, wenn der Gläubiger gemäß § 315 Abs. 1 und 2 BGB sein Leistungsbestimmungsrecht gegenüber dem Schuldner verbindlich ausgeübt und die Höhe der verwirkten Vertragsstrafe wirksam konkretisiert hat (vgl. BGH, Urteil vom 04.04.2006 – Az. X ZR 122/05).
Das Landgericht hat unterstellt, dass der Kläger mit Einschreiben vom 22. Dezember 2016 die zu zahlende Vertragsstrafe verbindlich auf 3.600 € festgelegt hat. Nach Auffassung des BGH ist der Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe erst im Dezember 2016 fällig geworden und damit gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden. Folglich hat die Verjährung gemäß § 199 Abs. 1 BGB erst mit Ablauf des Jahres 2016 begonnen. Die Klage vom 23. Dezember 2019 hat also die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 BGB gehemmt.
Fazit
Wird eine angemessene Vertragsstrafe („Hamburger Brauch“) vereinbart, so beginnt die dreijährige Verjährungsfrist erst mit Ablauf des Jahres, an dem die Vertragsstrafe erstmals konkretisiert bzw. bestimmt wurde. Anders sieht es hingegen bei der Vereinbarung einer festen Vertragsstrafe aus. Hier kommt es auf den Zeitpunkt der Zuwiderhandlung an.
Co-Autor: Wissenschaftliche Mitarbeiterin - Stud. jur. Natalie De Agazio
Bildquelle: Bild von Max auf Pixabay