Künstliche Intelligenz (KI) ist in der Zeit der Digitalisierung nicht mehr wegzudenken. Bislang waren der Einsatz und die Haftung von KI wegen fehlender gesetzlicher Regelungen rechtlich unbestimmt. Der EU-Ministerrat hat nun erstmals Regelungen für den Einsatz von KI beschlossen. Durch die Verordnung will der Gesetzgeber sicherstellen, dass KI-Systeme sicher sind und die Grundrechte einhalten.
In Art. 3 Nr. 1 des Verordnungsentwurfes ist ein KI-System definiert als
„ein System, das so konzipiert ist, dass es mit Elementen der Autonomie arbeitet, und das auf der Grundlage maschineller und/oder vom Menschen erzeugter Daten und Eingaben durch maschinelles Lernen und/oder logik-wissensgestützten Konzepte ableitet, wie eine Reihe von Zielen erreicht wird, und systemgenerierte Ergebnisse wie Inhalte (generative KI-Systeme), Vorhersagen, Empfehlungen oder Entscheidungen hervorbringt, die das Umfeld beeinflussen, mit dem die KI-Systeme interagieren“
Die Begriffsbestimmungen wurde bewusst auf Systeme eingegrenzt, deren Entwicklung auf Konzepten des maschinellen Lernens sowie logik- und wissensgestützten Konzepten basieren. Somit will man sicherstellen, dass die Definition eines KI-Systems ausreichend klare Kriterien für die Abgrenzung der KI von einfacheren Software-Systemen bietet.
KI ist bereits jetzt schon ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft und bereits in unserem Alltag präsent. Wir verwenden KI, ohne uns darüber bewusst zu sein.
So bedienen wir uns im Alltag oft an Übersetzungstools, oder erzeugen mittels KI automatische Untertitel von Videoinhalten oder TV-Sendungen.
Autohersteller nutzen ebenfalls KI-Systeme für selbstfahrende Fahrzeuge, auch wenn diese noch nicht zum Standard gehören.
Art. 5 des Verordnungsentwurfes regelt, welche Praktiken im Bereich der KI verboten sind.
Gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a und lit b sind bestimmte Verhaltensmanipulationen beim Einsatz von KI verboten. Dieses Verbot betrifft auch private Akteure.
Verboten sind demnach:
Art. 5 Abs. 1 lit. c verbietet den Einsatz von KI zu Zwecken des sogenannten „Social Scoring“. Solche Systeme werden zur Bewertung des sozialen Verhaltens verwendet. Dieses Verbot wurde nun auch auf private Akteure ausgeweitet.
Danach ist verboten:
„das Inverkehrbringen, die Inbetriebnahme oder die Verwendung von KI-Systemen zur Bewertung oder Klassifizierung natürlicher Personen über einen bestimmten Zeitraum auf der Grundlage ihres sozialen Verhaltens oder bekannter oder vorhergesagter persönlicher Eigenschaften oder Persönlichkeitsmerkmale, wobei die soziale Bewertung zu einem oder beiden der folgenden Ergebnisse führt:
Ein Beispiel hierfür ist das in China existierende Sozialkreditsystem. Durch den Einsatz von KI überwachen die Behörden das Verhalten der Bürger in sämtlichen Lebensbereichen. Dazu sammeln diese die Daten um dann eine entsprechende „soziale Bewertung“ zuzuteilen. Somit hat beispielsweise das Überqueren einer Straße trotz einer roten Ampel die Herabstufung der Kreditwürdigkeit einer Person zur Folge. Dadurch kommt es zu einer Benachteiligung in sozialen Zusammenhängen, obwohl diese keinen Zusammenhang zu den Umständen aufweisen, unter denen die Datenerfassung erfolgte.
Gem. Art. 5 Abs. 1 lit. d soll der Einsatz von KI zu biometrischen Echtzeit-Fernidentifizierung in öffentlich zugänglichen Räumen zu Strafverfolgungszwecken grundsätzlich verboten sein. Grundsätzlich wäre damit die Videoüberwachung mit automatischer Gesichtserkennung verboten. Hier soll anders als bei vorangehenden Verboten lediglich staatliches Handeln betroffen sein.
Gem. Art. 5 Abs. 1 lit. d ist verboten:
„die Verwendung biometrischer Echtzeit-Fernidentifizierungssysteme in öffentlich zugänglichen Räumen zu Strafverfolgungszwecken, außer wenn und insoweit dies im Hinblick auf eines der folgenden Ziele unbedingt erforderlich ist:
Der Ministerrat stellte nun in Art. 5 Abs. 1 lit. d der Verordnung klar, dass zu bestimmten Zwecken eine Nutzung von KI für Strafverfolgungszwecken „unbedingt erforderlich“ ist und daher erlaubt sein könnte, so z.B. das Suchen nach vermissten Personen.
Der Verordnungsentwurf würde jedoch bedeuten, dass nach jedem Straftäter (z.B. Drogendealer, Einbrecher) per Gesichtserkennung gesucht werden könnte. Art. 5 Abs. 1 lit. d) iii) verweist hierbei auf den Straftatenkatalog des EU-Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates 62. Voraussetzung hierfür ist, dass die Freiheitsstrafe einen Höchstmaß von mindestens drei Jahren aufweist. Es wird kritisiert, dass das Verbot nur für „Echtzeit-Fernidentifizierungssysteme“ gelte und nicht für Systeme, bei denen der „Abgleich und die Identifizierung zeitgleich oder nahezu zeitgleich erfolgen“. Auch gelte das Verbot nur für Strafverfolgungsbehörden oder deren Auftragnehmer, nicht jedoch für andere Behörden oder private Anbieter.
Der Rat der europäischen Union verlangt eine Erweiterung des Ausnahmekatalogs. Demnach sollen Strafverfolgungs-, Grenzkontroll-, Einwanderungs- oder Asylbehörden im Einklang mit dem EU-Recht und nationalen Gesetze solche Systeme nutzen dürfen, um eine Person auch gegen ihren Willen zu erkennen, „die sich bei einer Identitätskontrolle entweder weigert, oder die nicht in der Lage ist, ihre Identität anzugeben oder nachzuweisen“.
Wir begrüßen es, dass der Einsatz von KI reguliert werden soll. Die Pläne der EU-Kommission und Mitgliedstaaten müssen jedoch noch mit dem Europaparlament abgestimmt werden. Hätten die Verhandlungen zwischen der Europäischen Kommission, dem EU-Rat sowie dem Europäischen Parlament Ende 2022 stattgefunden, wäre die KI-Verordnung Anfang 2023 in Kraft getreten. Aktuell sieht es jedoch so aus, als würde die Verordnung noch auf sich warten lassen. Ob der Verordnungsentwurf so beschlossen wird oder weitere Änderungen vorgenommen werden, bleibt abzuwarten.
Den vollständigen (aktuellen) Verordnungsentwurf können Sie hier einsehen: https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-14954-2022-INIT/de/pdf
Co-Autor: Wissenschaftliche Mitarbeiterin - Stud.jur. Natalie De Agazio
Bildquelle: Bild von Gerd Altmann auf Pixabay