Im Jahr 2018 führte die Europäische Union die Datenschutz-Grundverordnung (im Folgenden: DSGVO), um den Datenschutz europaweit einheitlich zu regeln und somit einen neuen rechtlichen Standard herzustellen. Doch die Umsetzung der DSGVO bringt nach wie vor rechtliche Probleme mit sich, die im Zweifel der Europäische Gerichtshof (EuGH) lösen muss. So auch ein einem aktuellen Zivilverfahren, in dem der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) dem EuGH eine Reihe von Rechtsfragen zur Datennutzung von Facebook vorlegt.
Insgesamt legte der OGH vier Fragen in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der Datennutzung durch Facebook vor. Von den vier Fragen zielt eine auf die Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung von Facebook ab, eine auf die Verwendung der Daten durch Facebook im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Datenminimierung sowie zwei weitere Fragen zur Filterung und Verwendung sensibler Daten (wie beispielsweise politische Ansichten oder sexuelle Orientierung) für personalisierte Werbung.
Die Kernfrage war jedoch die erste, ob die Rechtsgrundlage, die Facebook für fast alle Datenverarbeitungen verwendet, eine Einwilligung oder ein Vertrag darstellt.
Laut Art. 6 Abs. 1 DSGVO gibt es insgesamt sechs verschiedene Möglichkeiten, rechtmäßig Daten von Nutzern verarbeiten zu dürfen. Praxisrelevant ist insbesondere die Möglichkeit der Datenverarbeitung aufgrund einer Einwilligung (Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO), als auch die aufgrund der Erfüllung eines Vertrages (Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO).
Vor Inkrafttreten der DSGVO sah Facebook seine Datenverarbeitung durch die Einwilligung seiner Nutzer in personalisierte Werbung als rechtmäßig an. Doch die DSGVO brachte die Möglichkeit des Widerrufs der Einwilligung durch die Nutzer mit sich. Seither begründet Facebook seine Datenverarbeitung auf Grundlage eines Vertrages, den jeder Nutzer für die Erstellung personalisierter Werbung mit Facebook abgeschlossen habe. Damit könnte Facebook die Erfordernisse einer Einwilligung umgehen. Ob dies rechtmäßig ist, soll nun der EuGH entscheiden.
Hierbei geht es insbesondere um die Frage, ob die von Facebook verarbeiteten Daten tatsächlich erforderlich sind, um den Vertrag (Nutzungsverhältnis bei Nutzung von Facebook) zu erfüllen, oder ob Facebook hier einseitig Vorgaben macht, die über das hinausgehen, was Facebook zum Betrieb des sozialen Netzwerks wirklich an Daten bräuchte. Dieses Thema ist auch in anderen Konstellationen von großer Bedeutung, beispielsweise bei den von einigen Zeitungen und Zeitschriften verfolgten Geschäftsmodellen, die eine kostenfreie Nutzung ihrer Online-Auftritte nur ermöglichen, wenn der Nutzer einem umfangreichen Tracking zustimmt. Der Rechtsstreit wird daher auch über Facebook hinaus einige Relevanz haben.
Beim Kläger handelt es sich um den Datenschützer Max Schrems, Vorsitzender von noyb.eu, der auch in der Vergangenheit Erfolge in Datenschutzrechtsstreits vor dem EuGH erzielte.
Erst kürzlich berichteten wir über die Datenschutzorganisation Noyb, die eine Beschwerdewelle gegen Cookie-Banner startete (https://www.dury.de/datenschutzrecht-blog/datenschutzorganisation-noyb-startet-beschwerdewelle-gegen-cookie-banner).
Die EuGH-Urteile „Schrems I“ und „Schrems II“ und deren Folgen sind Datenschützern bekannt. Mehr zu diesen Urteilen finden Sie unter den folgenden Links:
Schrems II: https://website-check.de/blog/datenschutzrecht/privacy-shield-gekippt/
Datenschützer Max Schrems erachtet die Beantwortung der dem EuGH vorgelegten Fragen als extrem wichtig. Denn im Ernstfall müsste Facebook wohl die verarbeiteten Daten wieder teilweise von dem Nutzungsverhältnis abkoppeln. Das könnte zur Folge haben, dass Facebook trennen müsste zwischen Nutzern, die in die weitergehende Datenverarbeitung eingewilligt haben, und solchen Nutzern, die das nicht getan haben. Außerdem müsste Facebook dann möglicherweise Daten zu politischen Ansichten und zur sexuellen Orientierung herausfiltern.
Den Beschluss des OGH in voller Länge finden Sie hier: https://noyb.eu/sites/default/files/2021-07/Vorlage_sw_DE.pdf
Co-Autor: Wissenschaftlicher Mitarbeiter - Ref. jur. Philipp Schmelz
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