Das Verwaltungsgericht Wiesbaden legt dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Klärung vor, ob Wirtschaftsauskunfteien wie die Schufa Daten aus öffentlichen Verzeichnissen speichern dürfen. Im Einzelnen geht es um die Frage, ob eine Wirtschaftsauskunftei Informationen aus den Veröffentlichungen der Insolvenzgerichte unverändert in private Verzeichnisse übernehmen darf, ohne dass bei der Auskunftei ein konkreter Anlass zur Datenspeicherung besteht. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden möchte wissen ob diese Datenspeicherung zulässig ist und wenn ja für wie lange.
Seit dem 1. Oktober 2020 erfolgt für redliche Schuldner bei einer Verbraucherinsolvenz im Regelfall nach drei Jahren, statt wie zuvor nach sechs Jahren, eine Befreiung von ihren Restschulden. Wirtschaftsauskunfteien wie beispielsweise die Schufa sammeln unter anderem personenbezogene Daten von Verbrauchern, um anhand dieser Daten deren Kreditwürdigkeit zu bewerten und auf einer Skala einzuordnen. Die Kreditwürdigkeit wiederum ist für alle Teilnehmer der Wirtschaft von Belang, insbesondere für mögliche Vertragspartner des Verbrauchers. So orientieren sich oft Banken, Online-Shops oder Mobilfunk-Anbieter bezüglich der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers an dem Schufa-Score.
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die Speicherung seiner Restschuldbefreiung bei der Schufa. Bei dieser ist auf den Kläger eine Restschuldbefreiung eingetragen. Die Information stammt aus den Veröffentlichungen der Insolvenzgerichte. Die Gerichte speichern diese nur für sechs Monate, danach wird sie gelöscht. Bei den Wirtschaftsauskunfteien erfolgt eine solche Löschung hingegen deutlich später, ggf. erst nach drei Jahren nach Eintragung. Der Kläger begehrt nun die Löschung dieser Information durch die Schufa. Der Klage vor dem Verwaltungsgericht ging ein erfolgloses Verfahren bei dem Hessischen Datenschutzbeauftragten voraus. Das Verwaltungsgericht setzte das Verfahren vorerst aus und legte die Rechtsfrage dem Europäischen Gerichtshof vor.
Das Verwaltungsgericht hat erhebliche Zweifel, ob eine Übernahme dieser Daten aus öffentlichen Verzeichnissen in private überhaupt zulässig ist. Dabei sei zu beachten, dass die Schufa nur eine von vielen Wirtschaftsauskunfteien ist. Die reine Übernahme dieser Daten, ohne dass ein konkreter Anlass zur Datenspeicherung bei der privaten Wirtschaftsauskunftei vorliegt, sei darüber hinaus nicht gesetzlich geregelt und führe letztendlich zu einer Vorratsdatenhaltung bei einer Vielzahl privater Wirtschaftsauskunfteien, obwohl die Daten in den nationalen Registern schon viel früher gelöscht werden. Dies stellt nach Ansicht des Gerichts einen massiven Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen dar und könne massiv in seine wirtschaftliche Betätigung eingreifen. Nachdem das OLG Schleswig im Juni 2021 die Speicherung nur für sechs Monate zuließ (Urteil vom 02.07.2021 – 17 U 15/21), scheint das Verwaltungsgericht Wiesbaden eher zu einer generellen Unzulässigkeit dieser Speicherung zu tendieren. Es bleibt abzuwarten, wie der EuGH diese rechtliche Frage bewertet.
Co-Autor: Wissenschaftlicher Mitarbeiter - Ref. jur. Philipp Schmelz
Bildquelle: Bild von Gerd Altmann auf Pixabay