Wer darf eigentlich bei Datenschutzverstößen abmahnen?

cease and desist letter g13bb543af 640In einem digitalen Zeitalter, in dem Daten einer Ware gleichkommen, ist es wichtig zu wissen, welche rechtlichen Probleme bei der Verarbeitung von Daten entstehen können. Auch den Betreibern von Websites und Online-Shops drohen mittlerweile Datenschutzabmahnungen. Dabei stellt sich die Frage, wann Datenschutzverstöße überhaupt abmahnfähig sind und wer berechtigt ist Datenschutzabmahnungen auszusprechen.

Diese und weitere Fragen zum Thema Abmahnung bei Datenschutzverstößen klären wir in unserem folgenden Blogbeitrag.

 

Was ist eine Abmahnung?

Eine Abmahnung ist eine Aufforderung, ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen, verbunden mit einer Fristsetzung und Nennung des vermeintlichen Verstoßes. Sie dient grundsätzlich dem Zweck eine Streitigkeit ohne Gerichtsverfahren im Vorfeld beizulegen, vgl. BGHZ 149, 371 (374).
Abmahnungen kommen in vielen Rechtsbereichen zum Einsatz, insbesondere im Arbeitsrecht und im Wettbewerbsrecht. Privatpersonen sind Abmahnungen auch im Bereich von Filesharing-Abmahnungen bekannt.


Grundsätzlich können alle jrustische oder private Personen eine Abmahnung ausprechen. Spricht ein Anwalt eine Abmahnung in Vertretung seines Mandanten aus, muss er vorher prüfen, ob die Abmahnung nicht rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 242 BGB ist.

Was kann Gegenstand einer Abmahnung sein?

Mit steigenden datenschutzrechtlichen Anforderungen durch die DSGVO, ist ein Rechtsbereich entstanden, auf dem es zu Abmahnungen kommen kann. Grundsätzlich sind Datenschutzverstöße abmahnfähig.


Datenschutzverstöße werden jedoch in der Praxis eher selten abgemahnt, da eine gefestigte Rechtsprechung nur bei speziellen Verstößen besteht, wie z.B. dem Einsatz von Google Fonts und es sich keinesfalls um höchstrichterliche Rechtsprechung handelt.
Denkbar sind Abmahnungen von Datenschutzverstößen durch einen Verbraucherschutzverein oder einen Mitbewerber bzw. Konkurrenten. Die nach der DSGVO gefürchteten Bußgelder verhängen in der Regel die Landesdatenschutzbehörden. Diese Bußgelder stellen zumeist Verwaltungsakte dar und sind keine auf zivilrechtlicher Ebene angesiedelten Abmahnungen.

Was rechtfertigt eine datenschutzrechtliche Abmahnung?

Als Grundlage für eine Datenschutzabmahnung kommt zunächst ein Datenschutzverstoß gegen die DSGVO in Betracht. Derzeit besteht keine einheitliche Rechtsprechung hinsichtlich der Frage, ob Datenschutzverstöße wegen Verstoß gegen die DSGVO überhaupt abgemahnt werden können.


Beispielhafte Entscheidungen sind die des Landgerichts Bochum (Urteil vom 07.08.2018 - Az. 12 O 85/18), welches die Abmahnfähigkeit von Datenschutzverstößen verneinte. Das Landgericht Würzburg (Urteil vom 13.09.2018 - Az. 11 O 1741/18) hingegen bejahte die Abmahnfähigkeit von Datenschutzverstößen . Das OLG Hamburg vertritt in der Sache Az. 3 U 66/17 (Urteil vom 25-20.2018) eine vermittelnde Ansicht. Nach dieser letzten Ansicht sind DSGVO-Verstöße abmahnfähig, sofern es sich bei der Norm um eine „Marktverhaltensregelung“ gem. § 3a UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) handelt. Nach dieser Ansicht können Datenschutzverstöße abgemahnt werden, wenn eine zusätzliche Norm des UWG ohnehin einen Abmahngrund eröffnet und dieser zusätzlich Grundlage im Datenschutzrecht genommen hat oder das Datenschutzrecht streift.


Ein alleiniger Verstoß gegen die DSGVO ist somit in den meisten Fällen nicht ausreichend um eine Abmahnung auszusprechen. Doch nicht allein ein Verstoß gegen das UWG kann eine Abmahnung wegen Verstoßes gegen das Datenschutzrecht wirksam machen. Auch Verstöße gegen das neue TTDSG (Telekommunikations-Telemedien-Datenschutz-Gesetz) könnten grundsätzlich abgemahnt werden, zum Beispiel bei einem fehlenden oder falschen Cookie-Banner. Gleiches gilt beispielsweise für Verstöße gegen die Impressumspflicht oder andere Normen aus dem TMG (Telemedien-Gesetz). Treffen Verstöße dieser Art mit datenschutzwidrigen Handlungen, die in der DSGVO sanktioniert sind, zusammen, besteht das Potenzial einer Abmahnung.


Abmahnungen im Bereich des Datenschutzrechts vor allem in Zusammenhang mit Verstößen gegen das UWG, dem TTDSG oder dem TMG sind also denkbar. Vergleicht man neuere Urteile, kann man durchaus zur Ansicht gelangen, dass die Gerichte Abmahnungen mit Bezug zu Datenschutzgesetzen vermehrt als zulässig einstufen. Es ist somit eine Tendenz zu einer zunehmenden Abmahnfähigkeit von Datenschutzverstößen festzustellen, vgl. ZD-Aktuell 2021, 05583.

 

Wer kann Abmahnungen aussprechen?

Abmahnungen durch Anwälte in Vertretung ihrer Mandanten

Anwälte können Abmahnungen grundsätzlich nur in Vertretung eines Mandanten oder bei eigener Betroffenheit, z.B. im Wettbewerbsrecht, aussprechen. Wie bereits oben angemerkt, obliegt dem Anwalt berufsrechtlich die Pflicht zu überprüfen, ob die Abmahnung rechtsmissbräuchlich ist. So will der Gesetzgeber eine Überflutung unzulässiger Abmahnungen verhindern.

Abmahnungen durch Konkurrenten

Konkurrierenden Unternehmen können derzeit nicht allein auf der Basis eines Datenschutzverstoßes Abmahnungen aussprechen. Oftmals bedarf es eines gleichzeitigen Verstoßes gegen das UWG, damit der Datenschutzverstoß einen gerechtfertigten abmahnbaren Wettbewerbsvorteil des abgemahnten Konkurrenten darstellt. Bestimmte DSGVO-Verletzungen erfüllen dieses Erfordernis und stellen eine sogenannte „Marktverhaltensregel“ dar. Beispielweise herrscht unter den Gerichten weitgehend Einigkeit darüber, dass das Fehlen einer Datenschutzerklärung als wettbewerbsrechtlich relevanter Faktor anerkannt wird. Somit wären auch Abmahnungen wegen dieses Verstoßes zulässig, vgl. Entscheidung des OLG Stuttgart (Urteil vom 27.02.2020 – Az. 3 U 157/19).


Fraglich ist, wieso ein Verstoß gegen die Pflicht zur Vorhaltung einer Datenschutzerklärung gemäß Art. 13, 14 DSGVO überhaupt einen „unfairen“ Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Mitbewerbern darstellen kann.
Begründet wird dies insbesondere mit den teilweise großen personellen und finanziellen Aufwendungen, die ein Unternehmen aufbringen muss, um alle Voraussetzungen der DSGVO umzusetzen. Führen andere Unternehmen ihre Websites und die Datenverarbeitungen, entgegen den Datenschutzgesetzen, können sie die gleichen Mittel anders im Wettbewerb einsetzen. Somit schaffen sie sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den redlichen Unternehmern.
Das bedeutet: Erlangt ein Unternehmen einen finanziellen oder personellen Vorteil, der darauf basiert, die bestehenden datenschutzrechtlichen Regelungen nicht einzuhalten und sieht ein Gericht diese Verletzung als wesentlich an, besteht die Gefahr einer berechtigten Abmahnung.

Abmahnungen durch Verbraucherverbände und Wettbewerbsverbände

Unter bestimmten Voraussetzungen können Verbraucherverbände zu einer Abmahnung berechtigt sein. Der Gesetzgeber hat Verbraucherverbänden auf Grundlage des sogenannten Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen ( kurz UKlaG) eine Möglichkeit eingeräumt, Verstöße gegen verbraucherrechtliche Regelungen zivilrechtlich durchzusetzen. Datenschutzgesetze dienen auch dem Verbraucherrecht.


Datenschutzverstöße, die aus einem kommerziellen Grund zur Gewinnerzielungsabsicht von Unternehmen gegenüber Verbrauchern erfolgen, werden auch durch verbraucherrechtliche Datenschutzgesetze tangiert.


Betroffen ist insbesondere der Austausch oder Handel mit Daten, sowie die rechtswidrige Verarbeitung von Daten zur Markt- und Meinungsforschung oder Werbung.
Dies entschied der BGH (Urteil vom 28.05.2020 – Az. I ZR 186/17), nachdem der EuGH (Urteil vom 28.04.2022 – Az. C 319/20) es für zulässig erachtete, dass auch Verbraucherschutzverbände begrenzt abmahnen dürfen. Laut Europäischem Gerichtshof besitzen Verbraucherschutzverbände dann eine Klagemöglichkeit bzw. Abmahnfähigkeit, wenn das vertretene Interesse im Bereich der Öffentlichkeit liegt und darauf abzielt, die Rechte von Verbrauchern zu gewährleisten.


„Ferner kann eine solche Einrichtung eine Verbandsklage unabhängig von einem ihr erteilten Auftrag nur dann erheben, wenn „ihres Erachtens“ die Rechte einer betroffenen Person gemäß der DSGVO infolge einer Verarbeitung der personenbezogenen Daten dieser Person verletzt worden sind, ohne dass von ihr verlangt würde, dass sie die Person, die von der Datenverarbeitung konkret betroffen ist, im Voraus individuell ermittelt und das Vorliegen einer konkreten Verletzung der Rechte aus den Datenschutzvorschriften behauptet“ (vgl. Pressemitteilung Nr. 68/22 des Gerichtshofs der Europäischen Union).“

Privatpersonen

Privatpersonen wird zuallererst über die Datenschutzbehörde ein mittelbarer Weg eröffnet, um sich gegen datenschutzrechtliche Verstöße zu wehren. Privatpersonen können zwar abmahnen, fraglich ist jedoch, ob ihre Abmahnung basierend auf der DSGVO als zulässig angesehen wird (s.o.). Wir empfehlen Privatpersonen grundsätzlich vorher eine Einzelfallbewertung eines Anwalts mit Schwerpunkt im Wettbewerbsrecht bzw. Datenschutzrecht durchführen zu lassen und die Abmahnung anwaltlich erstellen zu lassen.


Besonders brisant sind derzeit im Umlauf befindliche Google-Fonts-Schreiben, in denen Privatpersonen Schadensersatz von Website-Betreibern, die Google-Fonts auf ihren Seiten verwenden, verlangen. Seine Ausgangspunkt nahmen die Schreiben auf der Grundlage einer Entscheidung des LG München vom 20.01.2022 (Az. 3 O 17493/20). Das Gericht sprach einer Privatperson einen Schadensersatz in Höhe von 100 € wegen fehlender Rechtsgrundlage zum Nachladen von Google-Diensten zu. Ob diese Rechtsprechung vor höchstinstanzlichen Gerichten Bestand haben wird, ist noch unklar. Wir berichteten: https://www.dury.de/datenschutzrecht-blog/schadensersatzforderungen-durch-privatpersonen-wegen-der-einbindung-von-google-fonts
Zu beachten bleibt, dass diese Schreiben eine absolute Ausnahme darstellen. Vielmehr ist es für Privatpersonen häufig schwer alle formellen Erfordernisse einer tatsächlichen Abmahnung zu erfüllen. Es empfiehlt sich daher auf Datenschutzrecht und Wettbewerbsrecht spezialisierten Rechtsbeistand mit einzubeziehen.

Konsequenzen einer unberechtigten Abmahnung

Gerade im Hinblick auf Privatpersonen sollte nicht vergessen werden, dass unberechtigte Abmahnungen auch zu rechtlichen Nachteilen führen können. Grundsätzlich sind Abmahnungen nicht durch die freie Meinungsäußerung (Art. 5 GG) abgedeckt (Pitz, § 4 Außergerichtliche Verfahren, Rn. 26, MAH Gewerblicher Rechtsschutz, 2022). Unrechtmäßige UWG-Abmahnungen können durchaus, wenn sie schuldhaft entstanden sind, zu Schadensersatzansprüchen gegen den Abmahnenden führen (BGH vom 16.04.1969 – Az. I ZR 59-60/67). Die Maßstäbe für die Schuldhaftigkeit müssen hierbei objektiv festgestellt werden. Sie orientieren sich daran, ob zuvor eine sorgfältige Prüfung ggf. durch anwaltliche Beratung stattgefunden hat und ob der Abmahnende ein tatsächliches Unterlassungsbegehren hatte (Pitz, § 4 Außergerichtliche Verfahren, Rn. 26, MAH Gewerblicher Rechtsschutz, 2022).
Diese Folgen könnten auch bei unrechtmäßigen DSGVO-Abmahnungen eintreten.

Fazit

Festzuhalten bleibt, dass Datenschutzverstöße mittlerweile durchaus abmahnfähig sind. Nach dem Stand der derzeitige rechtliche Meinung muss jedoch über den Datenschutzverstoß hinaus, ein Verstoß gegen andere Regulierungen, wie z.B. das UWG gegeben sein, damit die Abmahnung gültig ist.

Es empfiehlt sich eine Abmahnung immer durch einen im Datenschutzrecht und Wettbewerbsrecht spezialisierten Anwalt prüfen zu lassen. Schon aus den Gründen des anwaltlichen Berufsrechts muss der Anwalt vorher ausschließen, dass die Abmahnung rechtsmissbräuchlich ist. Somit wird das eigene Risiko einer falschen Abmahnung minimiert.

Co-Autor: Wissenschaftliche Mitarbeiterin -Stud. jur. Lea Fröhlich

Bildquelle: Bild von Markus Winkler auf Pixabay

Thomas Heß
Autor: Thomas Heß
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Autoren-Info:
Herr Thomass Heß ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei DURY LEGAL Rechtsanwälte im Bereich der rechtlichen Prüfung von Webseiten und Online-Shops. Er arbeitet dabei im Team von Fachanwalt Michael Pfeiffer und Diplomjurist Benjamin Schmidt und unterstützt diese in der Zusammenarbeit mit unserer Tochtergesellschaft, der Website-Check GmbH.