Entscheidung des LG München I: Abmahnung wegen irreführender Verwendung eines selbstgefertigten Bio-Siegels

seal 893786 640Händler, die Ihre Bio-Lebensmittel mit offiziellen Gütezeichen oder Qualitätssiegel wie z.B. das EU-Bio-Siegel bewerben, erwecken beim betroffenen Verkehrskreis ein besonderes Vertrauen in die Qualität des Bio-Produkts selbst und in die Seriosität des Anbieters. Hierbei gehen Verbraucher davon aus, dass diese Siegel stets von neutralen Stellen aufgrund von objektiven Kriterien und nach Kontrollen verliehen werden.

Verwenden Händler hingegen ein selbstgemachtes Bio-Siegel, das den Eindruck eines durch eine neutrale Stelle geprüften Gütesiegels vermittelt, kann dies wettbewerbswidrig sein und somit nach der Entscheidung des LG München I abgemahnt werden (Urteil vom 26.03.2021, 37 O 7730/20).

Worum ging es in dem Fall?

Die Beklagte bewirbt in ihren Online-Shop unter anderem Lebens- und Nahrungsergänzungsmittel (z.B. Kräuter- und Arzneitees) unter Verwendung eines selbst gestalteten Bio-Logos. In einem digitalen Werbeprospekt auf ihrer Internetseite führt die Beklagte aus, dass das Logo die Herkunft aller Zutaten aus ökologischem Anbau und die sorgfältige Kontrolle sämtlicher Teebestandteile im eigenen Labor garantiert. Das Logo wird jedoch ohne erklärenden Zusatz verwendet. Soweit es im Internet verwendet wird, erscheint die Angabe „S Bio Qualität“ beim Überfahren des Logos mit der Maus.

Gütezeichen und Qualitätssiegel

Ein Gütezeichen oder Qualitätssiegel vermittelt, dass ein neutraler Dritter mit entsprechender Kompetenz die beworbene Ware nach objektiven und aussagekräftigen Kriterien auf die Erfüllung von Mindestanforderungen geprüft hat (BGH, Urteil vom 04.07.2019, AZ I ZR 161/18). Der Verbraucher misst einem mit einem Gütesiegel beworbenen Produkt eine höhere Qualität bei. Ein solches Zeichen bietet aus der Sicht des Verkehrs die Gewähr, dass ein mit ihm gekennzeichnetes Produkt bestimmte, für seine Güte und Brauchbarkeit als wesentlich angesehene Eigenschaften aufweist (BGH, Urteil vom 21. Juli 2016, I ZR 26/15).

Bei der Beurteilung eine Qualitätskennzeichens kommt es entscheidend auf den Empfängerhorizont eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers an (OLG Rostock, Urteil vom 15.11.2014, 2 U 12/14). Maßgeblich ist also, ob der angesprochene Verkehrskreis das mit dem Produkt verwendete "Siegel" als ein Güte- bzw. Qualitätssiegel beurteilt.

Wie hat das LG München entschieden?

Nach der Entscheidung des LG München I ist die Verwendung des selbstgemachten Bio-Siegels der Beklagten irreführend. Es vermittelt dem durchnichschnittlich informierten Verbraucher den falschen Anschein, dass neutrale Dritte aufgrund aufgrund konkreter objektiver Kriterien und Kontrollen das Siegel verliehen haben, obwohl das Siegel vom Anbieter selbst ausgesgtellt worden ist.

Eine Platzierung des Bio-Logos in der ersten Anzeige unmittelbar neben dem Bio-Siegel der EU bekräftigt diesen Eindruck. Dadurch wird das selbstgefertigte Bio-Logo der Verbraucher kann aufgrund der gleichrangigen Platzierung und der Gesamtaufmachung der Werbeanzeige den Aussagegehalt das selbst erstellten Siegels nicht von dem des EU-Siegels unterscheiden (OLG Rostock Urteil vom 15.10.2014, 2 U 12/14 - Allergieakademie).

Laut LG München I handlelt es sich vielmehr um ein firmeneigenes Zeichen der Beklagten, welche diese aufgrund eigener Kriterien verwendet, die für den Verbraucher nicht erkennbar sind.

Hinweis auf die sog. Eigenschöpfung des Anbieters

Das Gericht entschied zwar, dass ein Siegel grundsätzlich keinen konkreten Aussteller erkennen lassen muss, jedoch wäre vorliegend ein entsprechender Hinweis erforderlich gewesen.

Der Verbraucher muss nach Ansicht des Landgerichtes jedoch erkennen können, dass das Siegel nicht von einem Dritten verliehen wurde, sondern dass es sich hierbei konkret um eine Eigenschöpfung der Beklagten handelt.
Der Hinweis zum Siegel ist dahingehend auszugestalten, dass dem betroffenen Verkehrskreis vermittelt wird, dass die Entscheidung über die Vergabe oder Verwendung des Siegels nicht von einem neutralen Dritten abhängt. Da einem Siegel von einer neutralen Stelle ein anderes Vertrauen entgegengebracht wird als einem vom Hersteller selbst erstellten Prüfsiegels.

Die Ähnlichkeit mit offiziellen Bio-Qualitätssiegeln

Das Gericht stellt zudem klar, dass nicht die graphische Ähnlichkeit zu offiziellen Bio-Siegeln entscheidend ist, sondern gerade die Verwendung als Siegel, um die Qualität der entsprechenden Produkte besonders deutlich zum Ausdruck zu bringen.

Das Logo der Beklagten weist nach Ansicht des LG München I eine Gestaltung auf, die generell auch bei einem offiziellen Bio-Siegel aufzufinden ist. Zudem fehlt es an der gleichzeitigen Nennung des Herstellers bzw. Händlers. Das Bio-Logo wird nicht wie eine Marke zur Kennzeichnung des jeweiligen Produktes verwendet, so dass der betreffende Verkehrskreis eine Verbindung des Produktes zu einem bestimmten Unternehmen assoziiert, das sich eventuell in der Lebensmittelbranche im Bereich Bio bereits etabliert hat und dessen Waren stets für Bio-Qualität steht.
Vielmehr dient das Siegel zur Hervorhebung der Bio-Qualität des betreffenden Produktes und zur Vertrauensbildung des betroffenen Verkehrs in den Anbieter.

Fazit

Zwar darf jeder Hersteller ein eigenes Siegel oder Qualitätszeichen erschaffen um seine Waren zu kennzeichnen, jedoch muss er darauf achten, dass nicht der Eindruck erweckt wird, dass eine Prüfung durch eine Dritte (neutrale) Stelle erfolgt ist.

Um das Risiko von Verwechslungen auszuschließen, muss der Hersteller deshalb eine ausreichende Distanz zu bereits bestehenden Zeichen schaffen. Hierzu kann sich der Hersteller über bereits existierende Gütezeichen oder Qualitätssiegel in einer der unzähligen, im Internet einsehbaren Datenbanken informieren (z.B. über das Informationsportal www.Label-online.de).

Bei sogenannten. Eigenschöpfungen sind die Vergabekriterien offenzulegen. Ohne die Angabe einer Fundstelle, an der sich der Verbraucher Informationen über die Kriterien der Überprüfung und das Zustandekommen der Wertungen findet, kann die Werbung mit einem Gütezeichen oder Qualitätssiegel wettbewerbswidrig sein (vgl. BGH, Urteil vom 21.07.2016, Az I ZR 26/15).


Die Bewerbung darf zudem nicht den Anschein erwecken, dass das selbstgemachte Prüfsiegel von einer neutralen Stelle verliehen wurde (OLG Hamburg, Urteil vom 04.07.2013, 3 U 172/11). Bei der Verwendung eines selbstgemachten Prüfsiegels muss dem Verbraucher stets erkennbar aufgeführt werden, dass es sich hierbei um eine Eigenschöpfung handelt und nicht um eine von einer neutralen Stelle vergebene Auszeichnung.

 Co-Autor: Stud. jur. Martina Hajas

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