BGH: Gegenabmahnung als Reaktion auf Abmahnung eines Mitbewerbers ist nicht rechtsmissbräuchlich und Bestimmtheitsgrundsatz gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gilt nicht für Abmahnungen - BGH, Urteil vom 21. Januar 2021 - I ZR 17/18 - OLG Hamm - LG Bochum

highstackoffoldersVivianSeefeld FotoliacomWenn eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung eingeht ist es sehr verlockend, zu schauen, welche Wettbewerbsverstöße der Abmahner denn so alles  begangen hat.

Bisher war nicht letztinstanzlich geklärt, wie das Institut der "Gegenabmahnung" bzw. "Retourkutschen-Abmahnung" rechtlich eingeordnet werden sollte. Die Instanzrechtsprechung ging bislang davon aus, dass es zumindest unzulässig, d.h. rechtsmissbräuchlich ist, wenn man die Gegenabmahnung primär deshalb ausspricht, um Verhandlungsmasse zu schaffen.

Extrem ungeschickt war es daher, wenn man in der Gegenabmahnung einen inhaltlichen Zusammenhang zu der ersten Abmahnung hergestellt und ggf. vorgeschlagen hat, beide Seiten sollten doch einfach wechselseitig auf die Kostenforderungen verzichten, das Kriegsbeil einfach begraben und sich "auf ein Unentschieden" einigen.

Der BGH hat in seiner aktuellen Entscheidung vom 21.01.2021 nun klargestellt, dass es grundsätzlich kein Problem darstellt, wenn man eine berechtigte Gegenabmahnung ausspricht (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2021 - I ZR 17/18 - OLG Hamm - LG Bochum) und es auch kein Problem zu sein scheint, wenn man wie folgt ein "Unentschieden" erreichen will:

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Nach alledem erlauben wir uns eine vergleichsweise Regelung der Angelegenheit in der Art vorzuschlagen, dass beide Parteien die wechselseitig gerügten Verstöße einstellen und man sich bei zukünftig etwaig festgestellten Verstößen zunächst inter pares versucht, ohne kostenauslösende Abmahnungen, die Verstöße abzustellen. Erst wenn trotz Hinweis der Verstoß nicht abgestellt werden würde, soll der Ausspruch einer Abmahnung über Anwälte zulässig sein. Damit wäre die Sache erledigt. Eine Kostenerstattung findet wechselseitig nicht statt.

Der BGH hat das Herstellen einer Verbindung zwischen Abmahnung und Gegenabmahnung - entgegen der bislang herrschenden Ansicht - ohne weitere Angabe von Argumenten nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen.

Da die Argumentation des BGH in dem Urteil etwas dünn ist (vgl. Rn. 44) raten wir momentan aus Vorsichtsgrunden noch weiterhin dazu, die bislang geltenden Grundsätze einer rechtskonformen Gegenabmahnung einzuhalten, um den Anwälten / Anwältinnen des Abgemahnten keine argumentativen Aufhänger zu liefern, die Legitimität der Gegenabmahnung anzuzweifeln.

Lesen Sie nachfolgend mehr über die BGH Entscheidung i.S. I ZR 17/18 (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2021 - I ZR 17/18 - OLG Hamm - LG Bochum):

Leitsätze des BGH:

a) Die Abmahnung unterliegt als vorprozessuale Handlung nicht dem strengen Bestimmtheitsgrundsatz des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es reicht aus, wenn in der Abmahnung der Sachverhalt, der den Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens begründen soll, genau angegeben und der darin erblickte Verstoß so klar und eindeutig bezeichnet wird, dass der Abgemahnte die gebotenen Folgerungen ziehen kann.
b) Eine berechtigte Abmahnung ist nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil sie eine Reaktion auf die Abmahnung eines vergleichbaren Verstoßes ist.

BGH, Urteil vom 21. Januar 2021 - I ZR 17/18 - OLG Hamm - LG Bochum

Rufen Sie den Volltext des BGH-Urteils hier ab: https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=e74c595ac3a1ef3581b9c352c42d0ffe&nr=116710&pos=0&anz=1