Uns liegt ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH – Az. C-476/17) vom 29.07.2019 vor. Der EuGH entschied über die urheberrechtliche Zulässigkeit der Verwendung einzelner Songteile für eigene neue Songs anderer Künstler ohne Zustimmung des Urhebers.
Die Zulässigkeit des Samplings beschäftigte die Musikbranche bereits seit Jahrzehnten, da dieses Stilmittel in der Branche seit jeher gängig ist und tausendfach verwendet wurde, um neue Songs zu „kreieren“.
Die Frage nach der Zulässigkeit des Samplings wurde dem EuGH durch den Bundesgerichtshof (BGH) im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens vorgelegt und kann nun einer abschließenden Entscheidung des BGH zugrunde gelegt werden. Damit ist eine wichtige Hürde in einem bereits mehr als 20 Jahre andauernden Rechtsstreit genommen. Nach der ersten Verhandlung vor dem Landgericht Hamburg (Urt. v. 08.10.2004, Az. 308 O 90/99) hatte sich das Verfahren über acht weitere nicht rechtskräftige Urteile erstreckt und liegt nun nach der Vorabentscheidung des EuGH dem BGH zur Entscheidung vor.
Seit mehr als 20 Jahren streiten sich die Band Kraftwerk und der Frankfurter Musikproduzent Moses Pelham über die Zulässigkeit des sog. Samplings. Ausgangspunkt war die Verwendung eines zwei Sekunden langen Tonmitschnitts des Kraftwerksongs „Metall auf Metall“ in dem von Pelham produzierten und von Sabrina Setlur eingesungenen Stück „Nur mir“.
Ganze dreimal wurde der Rechtsstreit dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe zur Entscheidung vorgelegt und anschließend wieder aufgrund von Fehlern an die Vorinstanz zurückverwiesen oder einem anderen Gericht zur Entscheidung vorgelegt (so wie nun dem EuGH). Hieraus lassen sich Komplexität und Tragweite der vorliegenden Entscheidung erahnen.
Das Bundesverfassungsgericht urteilte zunächst aus grundrechtlicher Sicht zugunsten des Musikproduzenten Pelham, da der Eingriff in das grundrechtlich geschützte Eigentumsrecht der Band nur geringfügig sei und dem Urheber durch das Sampling keine erheblichen wirtschaftlichen Nachteile entstehen würden.
In der Folge zu diesem Urteil entschied der BGH jedoch die Streitigkeit dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen, damit dieser den Sachverhalt auf die Vereinbarkeit mit dem harmonisierten europäischen Urheberrecht überprüft.
Maßgeblich für die Entscheidung des EuGH war die Frage, ob mit der Verwendung eines Tonstücks in einem anderen Song in das Vervielfältigungsrecht des Urhebers eingegriffen wird.
Das Europarecht regelt hierzu in seinem Art. 2 der Richtlinie 2001/29:
„Die Mitgliedstaaten sehen für folgende Personen das ausschließliche Recht vor, die unmittelbare oder mittelbare, vorübergehende oder dauerhafte Vervielfältigung auf jede Art und Weise und in jeder Form ganz oder teilweise zu erlauben oder zu verbieten: … c) für die Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger,…“.
Eine Vervielfältigung eines Tonträgers hätte also grundsätzlich die Notwendigkeit der Zustimmung des Urhebers zur Folge, sofern keine der im Europarecht angelegten Ausnahmen besteht.
Der EuGH urteilt bezüglich dieser Frage, dass mit dem Sampling grundsätzlich das Vervielfältigungsrecht des Urhebers beeinträchtigt wird, da dessen Werk übernommen wird. Jedoch besteht laut dem EuGH eine Ausnahme dazu, wenn das Tonstück in dem neuen Tonträger in geänderter und beim Hören nicht wiedererkennbarer Form eingefügt wird. Dies folge laut dem EuGH aus einer wertenden Abwägung zwischen dem Recht am geistigen Eigentum und der Kunstfreiheit. Somit stärkt der EuGH die Künstler, die mit Sampling neue Werke, in einer anderen Darstellungsform als der ursprünglichen, schöpfen möchten. Der Schutz der Urheber soll dadurch gewährleistet werden, dass eine Vervielfältigung immer noch dann vorliegt, wenn das Werk unverändert übernommen und genutzt wird. Damit möchte der EuGH eine Brücke zwischen den widerstreitenden Interessen bauen.
Der Möglichkeit nationaler Abweichungen dieser europarechtlichen Feststellungen erteilt der EuGH im gleichen Atemzug aber eine klare Absage und unterstützt hierbei die Interessen der Urheber. „Wie sowohl aus der Begründung des Vorschlags für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts … hervorgeht, sind die Ausnahmen und Beschränkungen in Art. 5 dieser Richtlinie erschöpfend aufgeführt, was der Gerichtshof auch mehrfach festgestellt hat“. Somit verbleibt für nationale Gesetzgeber und Richter kein Spielraum für weitere Ausnahmen von den in der Richtlinie statuierten Ausnahmen zum ausschließlichen Vervielfältigungsrecht des Urhebers.
Eine letzte Entscheidung verbleibt allerdings doch noch beim Bundesgerichtshof im nun noch anhängigen Verfahren, nämlich ob das Abspielen in einer um fünf Prozent verlangsamten Version des Originals tatsächlich genügt, um eine ausreichende Veränderung des Tonstücks anzunehmen.
Fazit:
Der EuGH stärkt die Rechte der Künstler und erlaubt ihnen bei einer spürbar veränderten Wiedergabe das Nutzen eines grundsätzlich urheberrechtlich geschützten Tonträgers.
Von einer abschließenden Entscheidung kann dennoch nicht die Rede sein, da nun wieder der Bundesgerichtshof am Zug ist und klären muss, ob denn der vorliegende Fall den vom EuGH statuierten Erfordernissen genügt. Diese Prüfung wiederum könnte vielschichtige Tatsachenfeststellungen voraussetzen, welche wiederum nicht vom BGH (als reine Rechtsfrageninstanz) festzustellen sind, sondern von der Vorinstanz.
Somit geht der Rechtsstreit nach der Klärung einer grundsätzlichen Frage durch den EuGH in eine nächste Runde – weiterhin mit offenem Ende.
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