Beim Online-Shopping nehmen Händler häufig eine Bonitätsprüfung vor. Das Bundeskartellamt leitete nun eine so genannte Sektoruntersuchung ein, um zu prüfen, ob Händler sich bei der Bonitätsprüfung auch rechtskonform verhalten. Bei einer Sektoruntersuchung werden die Strukturen und Wettbewerbsbedingungen bestimmter Wettbewerbszweige (z.B. Online-Handel) untersucht und auf Auffälligkeiten hin geprüft.
Die Bonitätsprüfung dient dem Zweck, den potenziellen Vertragspartner auf seine Bonität bzw. seine Kreditwürdigkeit zu prüfen. In diesem Zusammenhang prüft ein (zumeist externes Institut) anhand festgelegter Kriterien ob der Käufer offene Zahlungsverpflichtungen zuverlässig nachkommen kann und will.
Sogenannte „Auskunfteien“ führen Bonitätsprüfungen durch, indem sie das Zahlungsverhalten der zu überprüfenden Person analysieren. Die Bonitätsabfrage untersucht dabei zum Beispiel Name, Alter, Geschlecht, Anschrift, Zahlungshistorie und die von Dritten in das System eingegebenen Informationen zur Zahlungsmoral.
Das Ergebnis des Bonitätschecks wird in einem Wahrscheinlichkeitswert (sogenannter Bonitätsscore) ausgedrückt. Der Bonitätsscore beschreibt die Wahrscheinlichkeit eines Zahlungsausfalls.
Liegen zum Beispiel Negativmerkmale vor, fällt der Bonitätsscore eher niedrig aus. Das Ergebnis kann auch dann negativ ausfallen, wenn der Auskunftei zu wenige Daten über die Person zur Verfügung stehen. Diese vermutet somit nämlich eine schlechte Zahlungsmoral.
Die Auskunfteien erheben und speichern personenbezogene Daten, wie bspw. Name, Geburtsdatum, Adresse. Zusätzlich sammeln Sie auch Daten über die Vermögensverhältnisse sowie die Arbeitsmoral, um den Scoringwert zu ermitteln. Die SCHUFA ist die bekannteste Auskunftei.
Positive und negative Merkmale in den erhobenen Daten geben einen Rückschluss auf das Risiko eines Zahlungsausfalls. Die Ermittlung des Scoringwertes erfolgt durch unterschiedliche Faktoren.
Häufige Umzüge wirken sich zum Beispiel i.d.R. negativ auf den Bonitätsscore aus. Eine Prüfung des Zahlungsverhaltens gibt Aufschluss darüber, ob es in der Vergangenheit Zahlungsunregelmäßigkeiten oder nicht beglichenen Forderungen gab. Außerdem fließen Informationen über Inkassoverfahren, Gerichtsverfahren oder Insolvenzverfahren bei der Berechnung des Scorewertes mit ein, um das Zahlungsausfallrisiko einschätzen zu können.
Welche Kriterien genau bei der jeweiligen Auskunftei zum Einsatz kommen ist nicht abschließend bekannt. Gerade Marktführer wie z.B. die SCHUFA legen keine Kriterienkataloge offen.
Insbesondere bei der Zahlungsart „Kauf auf Rechnung“ führen Händler von Online-Shops in vielen Fällen eine Bonitätsprüfung durch. Beim „Kauf auf Rechnung“ erhält der Käufer zuerst die bestellte Ware, und muss erst nach Erhalt der Ware innerhalb einer bestimmten Frist, diese bezahlen. Auch bei einem Kauf auf Raten wird regelmäßig eine Bonitätsprüfung durchgeführt.
Durch einen „Kauf auf Rechnung“ oder einen „Kauf auf Raten“ gehen Online-Händler das Risiko ein, dass die Kunden die offene Rechnung nicht bezahlen können oder möchten. Der Händler liefert bei diesen Modellen nämlich die Ware, ohne vorher das Geld dafür erhalten zu haben. Durch eine Bonitätsprüfung kann ein Online-Händler das Risiko eines möglichen Zahlungsausfalls minimieren.
Die Bonitätsprüfung setzt neben einer Erhebung und Speicherung von personenbezogenen Daten, auch eine Übermittlung dieser an Dritte voraus. Somit muss der Händler das Datenschutzrecht beachten – also primär die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die als EU-Verordnung unmittelbar in den Mitgliedstaaten gilt.
Grundsätzlich gilt, dass die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten ohne Einwilligung des Betroffenen unzulässig ist. Eine vorgelagerte Bonitätsabfrage durch eine Einwilligung zu Beginn des Zahlungssteuerungsprozesses widerspricht zudem dem Grundsatz der Freiwilligkeit. Auch eine Einwilligung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) ist aufgrund mangelnder Bestimmtheit und Transparenz nicht ausreichend, um die Anforderungen zu erfüllen. Der Kunde erwartet beim Online-Einkauf generell keine Bonitätsprüfungsklausel in den AGB. Die Klausel ist generell so zu bewerten, dass Sie den Kunden unangemessen benachteiligt.
Gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO ist die Datenverarbeitung für eine Bonitätsprüfung dann rechtmäßig, sofern diese der Wahrung berechtigter Interessen des Online-Händlers dient.
Online-Händler stützen die von Ihnen durchgeführte Bonitätsprüfung oftmals ohne größere Prüfung auf die Rechtsgrundlage des berechtigten Interesses. Das individuell erhöhte Bedürfnis nach Sicherheit des Online-Händlers genügt jedoch im Regelfall nicht, um ein berechtigte Interesse zu bejahen. Ein berechtigtes Interesse liegt nur dann vor, wenn tatsächlich bestehende Zahlungsausfallrisiken vorgebeugt werden soll. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Kunde eine Zahlungsart wählt, bei der ein Zahlungsausfallrisiko besteht. Ein Zahlungsausfallsrisiko besteht also nur dann, wenn der Händler in Vorleistung tritt.
Dies ist z.B. bei einem „Kauf auf Rechnung“ der Fall. Auch bei einem Ratenkauf besteht das Risiko eines Zahlungsausfalls. Anders ist dies bei der Zahlungsweise „Vorkasse“. Hier muss der Kunde zuerst zahlen, bevor der Händler die Ware verschickt und leistet somit nicht vor. Daher ist hier ein berechtigtes Interesse keine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten und somit auch nicht für die Bonitätsprüfung. Somit ist eine Einwilligung des Kunden erforderlich.
Jedoch muss tatsächlich feststehen, dass der Kunde eine Zahlungsart wählt, durch die ein Risiko begründet wird. Daher ist die Durchführung einer Bonitätsprüfung bereits im Vorfeld nicht möglich, um im Anschluss eine Vorauswahl der möglichen Zahlungsarten zu treffen.
Wichtig für den Online-Händler ist hierbei, dass er zu Beginn des Bestellprozesses auf verständliche darüber aufklären muss, welche Zahlungsmethode eine Bonitätsprüfung mit sich zieht.
Der deutsche Gesetzgeber stellt gemäß § 31 Bundesdatenschutzgesetz, besondere Anforderungen für eine Bonitätsprüfung auf.
In § 31 BDSG heißt es in Absatz 1:
„(1) Die Verwendung eines Wahrscheinlichkeitswerts über ein bestimmtes zukünftiges Verhalten einer natürlichen Person zum Zweck der Entscheidung über die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses mit dieser Person (Scoring) ist nur zulässig, wenn
1. die Vorschriften des Datenschutzrechts eingehalten wurden,
2. die zur Berechnung des Wahrscheinlichkeitswerts genutzten Daten unter Zugrundelegung eines wissenschaftlich anerkannten mathematisch-statistischen Verfahrens nachweisbar für die Berechnung der Wahrscheinlichkeit des bestimmten Verhaltens erheblich sind,
3. für die Berechnung des Wahrscheinlichkeitswerts nicht ausschließlich Anschriftendaten genutzt wurden und
4. im Fall der Nutzung von Anschriftendaten die betroffene Person vor Berechnung des Wahrscheinlichkeitswerts über die vorgesehene Nutzung dieser Daten unterrichtet worden ist; die Unterrichtung ist zu dokumentieren.“
§ 31 Abs. 2 BDSG regelt die Zulässigkeit der Verarbeitung von Negativdaten. Dort heißt es:
(2) 1Die Verwendung eines von Auskunfteien ermittelten Wahrscheinlichkeitswerts über die Zahlungsfähig- und Zahlungswilligkeit einer natürlichen Person ist im Fall der Einbeziehung von Informationen über Forderungen nur zulässig, soweit die Voraussetzungen nach Absatz 1 vorliegen und nur solche Forderungen über eine geschuldete Leistung, die trotz Fälligkeit nicht erbracht worden ist, berücksichtigt werden,
1. die durch ein rechtskräftiges oder für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil festgestellt worden sind oder für die ein Schuldtitel nach § 794 der Zivilprozessordnung vorliegt,
2. die nach § 178 der Insolvenzordnung festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind,
3. die der Schuldner ausdrücklich anerkannt hat,
4. bei denen
a) der Schuldner nach Eintritt der Fälligkeit der Forderung mindestens zweimal schriftlich gemahnt worden ist,
b) die erste Mahnung mindestens vier Wochen zurückliegt,
c) der Schuldner zuvor, jedoch frühestens bei der ersten Mahnung, über eine mögliche Berücksichtigung durch eine Auskunftei unterrichtet worden ist und
d) der Schuldner die Forderung nicht bestritten hat oder
5. deren zugrunde liegendes Vertragsverhältnis aufgrund von Zahlungsrückständen fristlos gekündigt werden kann und bei denen der Schuldner zuvor über eine mögliche Berücksichtigung durch eine Auskunftei unterrichtet worden ist.
2Die Zulässigkeit der Verarbeitung, einschließlich der Ermittlung von Wahrscheinlichkeitswerten, von anderen bonitätsrelevanten Daten nach allgemeinem Datenschutzrecht bleibt unberührt.
Jedoch befasst sich § 31 Abs. 2 BDSG – im Gegensatz zur alten Fassung des § 28a Abs. 1 S. 1 BDSG (in der Fassung vom 01.04.2010 bis 24.05.2018) – nicht mit der Übermittlung personenbezogener Daten an Auskunfteien, sondern beschränkt sich lediglich auf die Regelung der Verwendung eines von Auskunfteien ermittelten Wahrscheinlichkeitswerts.
Ob § 31 BDSG jedoch mit der DSGVO vereinbar ist oder europarechtswidrig ist, ist in der Literatur umstritten. Mit dieser Frage wird sich nun der EuGH beschäftigen.
Das Bundeskartellamt prüft zeitnah ausgewählte Online-Händler und große Wirtschaftsauskunfteien, ob sich Online-Shops bei der Überprüfung der Bonität an geltendes Recht halten. Ziel ist es zu klären, ob und in welcher Form die Händler hierüber informieren und welche Kriterien bei der Prüfung zugrunde liegen. Weiterhin möchte man verbraucherrechtliche Verstöße feststellen. Jedoch hat Bundeskartellamt nicht die Befugnis, solche Verstöße auch zu ahnden.
Das Bundeskartellamt veröffentlichte hierzu eine Pressemitteilung, die auf der Website des Bundeskartellamts unter https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Pressemitteilungen/2022/31_03_2022_SU_Scoring.html;jsessionid=EF27B6FDC9950E8E88563B9418EE623D.2_cid387?nn=3591568 einzusehen ist.
Online-Händler dürfen nur unter strengen Voraussetzungen eine Bonitätsprüfung durchführen. Daher sollten Händler überprüfen, ob sie sich an die Vorgaben der DSGVO halten. Wir empfehlen eine Bonitätsprüfung nur bei Zahlungsarten, die ein Zahlungsausfallrisiko beinhalten, bei der der Händler also in Vorkasse tritt, wie dies bei einem Ratenkauf und bei einem Kauf auf Rechnung der Fall ist. Bei Zahlungsarten, bei denen der Händler zuerst das Geld erhält und der Kunde erst im Anschluss die Ware erhält, wie dies bei der Vorkasse der Fall ist, sollte auf eine Bonitätsprüfung verzichtet werden.
Co-Autor: Wissenschaftliche Mitarbeiterin - Stud. jur. Natalie De Agazio