Manuel Campos Sánchez-Bordona, der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), hat in seinen Schlussanträgen zu einem Rechtsstreit zwischen der Coty Germany GmbH und Amazon (Az.: C-567/18) ausgeführt, dass Marktplatzbetreiber auch ohne entsprechende Kenntnis für den Vertrieb von markenrechtsverletzenden Artikel auf dem Amazon-Marketplace haften kann. Die Stellungnahme kann auf der Seite des EuGH nachgelesen werden.
Folgt der EuGH in Luxemburg der Ansicht des Generalanwaltes, hat dies weitreichende Auswirkungen für Marktplatzbetreiber. Diese haften nämlich dann für markenrechtliche Verletzungen auf ihrer Plattform.
Über den Amazon-Marketplace hat ein Drittanbieter ein Parfüm der Marke Davidoff verkauft. Das streitgegenständliche Produkt wurde bei Amazon gelagert und von Amazon auch versendet. Bei dem von Amazon angebotenen "fulfillment by Amazon" handelt es sich um einen klassischen Fall des Drop-Shipping. Bei Dropshipping unterhält der Verkäufer selbst kein Lagerhaus und lässt auch den Versand der Waren von einem Dritten vornehmen.
Problematisch ist hierbei, dass der Anbieter des Parfüms keine Lizenz für den Vertrieb des Parfüms besitzt. Coty Germany sah sich durch diese Handlung in ihren Rechten verletzt.
Die durch den BGH aufgeworfene Vorlagefrage zielt darauf ab, ob Amazon auch ohne konkrete Kenntnis der Markenrechtsverletzung haftbar gemacht werden kann.
Konkret lautet die Frage:
"Besitzt eine Person, die für einen Dritten markenrechtsverletzende Waren lagert, ohne vom Rechtsverstoß Kenntnis zu haben, diese Ware zum Zwecke des Anbietens oder Inverkehrbringens, wenn nicht sie selbst, sondern allein der Dritte beabsichtigt, die Ware anzubieten oder in Verkehr zu bringen?"
Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes sieht im Hinblick auf eine mögliche Markenrechtsverletzung insbesondere das Vertriebssystem als entscheidend an.
Grundsätzlich führt er aus, dass die bloße Lagerung und der Versand für Dritte keine Markenrechtsverletzung darstellt. Das Anbieten von Dropshipping als Dienstleistung bleibt daher nach Ansicht des EuGH weiterhin ohne Risiko der Haftung ohne Kenntnis möglich.
Im durch den BGH vorgelegten Fall ist jedoch nach Ansicht des Generalanwaltes eine andere Wertung im Hinblick auf die Haftung möglich. Die Besonderheit bei Amazon ist, dass Amazon selbst "aktiv am Vertrieb dieser Ware beteiligt" ist.
Der Generalanwalt führt zu der Besonderheit aus, dass
"Die Tatsache, dass die Person [Anm.: Amazon]keine Kenntnis davon hat, dass der Dritte seine Ware im Rahmen eines Programms wie dem genannten unter Verletzung der Rechte des Markeninhabers anbietet oder verkauft, befreit diese Person nicht von der Haftung, sofern von ihr vernünftigerweise verlangt werden konnte, dass sie die für die Aufdeckung dieser Verletzung notwendigen Mittel bereitstellt"
Das wohl entscheidende Kriterium ist die Frage, was unter den "vernünftigen" Mittel für die Verletzungsaufdeckung zu verstehen ist. Aus den Ausführungen des Generalanwaltes wird jedoch klar, dass dieser eine Haftung von Amazon grundsätzlich bejaht.
Es bleibt abzuwarten, ob sich der EuGH den Ausführungen des Generalanwaltes anschließen wird. Ist dies der Fall, ist zu erwarten das in Zukunft eine Haftung von Marktplatzbetreibern besteht, die selbst auch Dropshipping betreiben.
Bewerben Sie als Marktplatzbetreiber Waren von Drittanbietern auf ihrem Portal und nehmen selbst die Versendung vor, sollten Sie sich im Innenverhältnis gegenüber ihren Händlern absichern.
Zwar könnten Sie in dem Fall, dass sich sowohl EuGH als auch der BGH auf die Argumentation des Generalanwaltes berufen, können Sie die Aussenhaftung für Markenrechtsverletzungen durch ihre Drittanbieter nicht mehr ausschließen.
Hier empfiehlt es sich ausdrücklich im Innenverhältnis zu ihren Drittanbietern ausreichende Regress und Beistandsmöglichkeiten vertraglich zu implementieren.
Mit einer Entscheidung des EuGH ist in den nächsten Wochen zu rechnen. Mit einer abschließenden Entscheidung durch den BGH ist Anfang 2020 zu rechnen.